Ein Leitfaden für gelungene Hobbybraukurse
Was ist die Zielgruppe?
Braukurse gibt es solche und solche. Ich selber bekam einmal eine Teilnahme in Form eines Erlebnisgutscheins einer namhaften Eventagentur geschenkt. In der ausrichtenden Brauerei fand sich morgens ein Rudel von Freibiergesichtern ein, denen es ähnlich ergangen war. Zur Begrüßung gab es ein Bier, nach ca. 10 Minuten Gerätekunde ein weiteres, nach 15 Minuten Rohstoffkunde ein weiteres, und zur Brotzeit sowieso. In dieser Schlagzahl ging es weiter, während irgendwo im Hintergrund wohl auch ein Sud gebraut wurde. So genau hat das aber niemand mehr mitbekommen. Und brauen hat man dadurch schon gar nicht gelernt. Soweit als abschreckendes Beispiel.
Manche Hobbybrauer fühlen sich mit fortschreitender Erfahrung berufen, ihr Wissen in Form eines Kurses an Interessierte weiterzugeben. Damit dies gelingt, sollte man sich frühzeitig Gedanken über Inhalte und Form machen, damit dies sowohl für Teilnehmer als auch Dozent zu einem erfolgreichen Erlebnis führt. Ich selber hatte schon mehrfach Gelegenheit, Brauseminare zu halten, von klassischen Volkshochschulkursen über das Studium Generale bis hin zu Imageveranstaltungen kommerzieller Brauereien. Ein Zitat des Braumeisters einer sehr bekannten Weißbierbrauerei ist mir dabei ganz besonders in Erinnerung geblieben:
„Wenn ich das bei mir im Sudhaus mache, steht man einen Tag lang vor der geschlossenen Verrohrung, und ich sage bloß, hier drin passiert Schritt A, dort drin Schritt B, und so weiter. Wenn das aber ein Hobbybrauer auf seiner Anlage macht, dann kann man die Maische sehen, schmecken, riechen, fühlen… Das ist Brauen mit allen Sinnen!“
Das leidige Thema Alkohol
Das soll jetzt nicht heißen, dass solch ein Braukurs eine knochentrockene Angelegenheit sein muss. Dennoch tut man gut daran darauf zu achten, dass das Event nicht frühzeitig, wie eingangs geschildert, zur reinen Trinkerveranstaltung mutiert. Natürlich gibt es auch bei mir Bier zu trinken, allerdings erst zur Brotzeit während der Mittagspause: Meist ein mitgebrachtes eigenes Bier, um ein Beispiel für daheim erzielbare Ergebnisse zu bringen. Aber selbst da ist es manchmal schwierig, nach der Brotzeit den Faden wieder aufzunehmen. Und dann wieder ganz am Ende, gerne auch ein paar extremere Biere um die Bandbreite von Bier zu zeigen, gewissermaßen als Belohnung für diejenigen, die bis zum Schluss ausgeharrt und beim Aufräumen mitgeholfen haben.
Der Versuch, einen Braukurs von Anfang an mit ausgedehnten Verkostungen zu kombinieren, birgt aber nicht nur die Gefahr, dass die Teilnehmer abdriften und kaum noch fürs Brauen zu motivieren sind, sondern auch für den Dozenten, sich sowohl zeitlich als auch thematisch zu verzetteln. Es empfiehlt sich daher, den eigentlichen Braukurs und gegebenenfalls eine Verkostung auf unterschiedliche Tage zu splitten. Mehr dazu weiter unter zum Thema Nachtreffen.
Gedanken zu Anlage, Location und Setting
Mein erklärtes Ziel ist zu zeigen, dass man mit nur wenig mehr als haushaltsüblichen Mitteln Bier in untadeliger Qualität selber brauen kann. Um die Teilnehmer zur Nachahmung zu motivieren anstatt sie durch einen Hardware-Overkill zu verschrecken, sollte man sich bei der Brauanlage bewusst bescheiden. Gut bewährt hat sich bei mir entweder ein Einkocher oder eine Hockerkocher-Pfanne ohne Rührwerk, und zum Läutern ein Thermoport oder auch nur ein Eimer mit Panzerschlauch. Das war es fast schon. Anlagen mit hoher Automatisierung, wie etwa der Speidel Braumeister, so reizvoll diese auch sein mögen, degradieren die Teilnehmer eher zu reinen Zuschauern. Je mehr es selber manuell zu tun gibt, desto besser!
Damit jeder mal selber Hand anlegen kann, pflege ich spontan wechselnde Aufgaben zu delegieren. Beispiele dafür sind schroten, einmaischen, rühren, Temperaturen messen und Rasten überwachen, umschöpfen, anschwänzen, Hopfen geben und vieles mehr. Und natürlich spülen, sobald etwas nicht mehr gebraucht wird. Damit es für jeden mal etwas zu tun gibt, hat sich bei mir eine Grenze von 15 Teilnehmern bewährt. Jeden Teilnehmer auf einer eigenen Anlage brauen zu lassen – was didaktisch ideal wäre – wird man kaum leisten können. Stattdessen kann man aber darüber nachdenken, bei größeren Gruppen auf zwei Anlagen synchron zu brauen. Das kann zusätzlich entweder ein Speidel sein, der autonom im Hintergrund läuft. Oder, besser noch, ein paar engagierte Teilnehmer, die auf einer kleineren Minimal-Anlage (z.B. Einkocher und Panzerschlauch) alle Schritte selbständig nachahmen, die wir auf der größeren Anlage vormachen.
Die Anforderungen an die Räumlichkeit hängen zwar auch von der verwendeten Anlage ab, lassen sich aber idealerweise wie folgt zusammenfassen:
- Raum mit guter Lüftung (v.a. bei Flüssiggas-befeuerten Anlagen) und unempfindlichem Boden
- Stabiler, standfester Tisch für die Brauanlage (Standfestigkeit unbedingt prüfen!)
- Wasserhahn (idealerweise mit Schlauchanschluss) und Stromanschluss (bei elektrischer Heizung oder Nachgussbereitung)
- Spülgelegenheit in der Nähe. Bodenablauf wäre ideal, wird aber selten vorhanden sein.
- Flipchart oder Wandtafel
- Sitzgelegenheiten (z.B. Bierbänke), um nicht die ganze Zeit stehen zu müssen, und ein Tisch für die Brotzeit
Das kann jetzt entweder eine Volkshochschul-Versuchsküche sein, der Nebenraum einer Gaststätte, das Sudhaus einer Brauerei oder sogar ein Zelt auf dem Hof. Nur einer Versuchung sollte man widerstehen: Sich als schmückendes Beiwerk einer größeren Publikumsveranstaltung mit Laufkundschaft engagieren zu lassen: Das Publikum guckt dann im Vorbeigehen kurz in den Topf, sieht, dass womöglich gerade nichts Spannendes passiert, macht gegebenenfalls noch dumme Kommentare wie „wird das die Suppe zum Abendessen?“ und zieht weiter. Ich habe daraus meinen Teil gelernt und mache nur noch geschlossene Veranstaltungen mit Teilnehmern, die von Anfang bis Ende dabei sind.
Die Choreografie
Jeder Hobbybrauer kennt das: Es gibt sowohl Phasen, in denen viel Action ist und viel passiert (z.B. Schroten und Einmaischen, Abmaischen und Läutern, Whirlpool und Ausschlagen), aber auch längere Phasen, in denen vergleichsweise wenig los ist (längere Rasten und v.a. das Würzekochen). Hier ist das Geschick des Dozenten gefragt, Theorieblöcke wie Erklärung der einzelnen Rohstoffe auf die vergleichsweise ruhigen Phasen zu legen, um dann wieder für die praktischen Tätigkeiten frei zu sein.
In der folgenden Tabelle habe ich beispielhaft einen Ablauf der einzelnen Themen dargestellt, wie er sich bei mir bestens bewährt hat. Das muss natürlich nicht immer sklavisch genau so ablaufen, vor allem wenn sich die Diskussion auf ungeahnte Themen hinbewegt. Generell ist aber ein häufiger Wechsel zwischen Theorie- und Praxisblöcken, vielleicht verbunden auch mit einem räumlichen Wechsel zwischen Brauanlage und Tafel von einer Seite des Raums auf die andere, für die Teilnehmer abwechslungsreicher und beugt auch frühzeitiger geistiger Ermüdung vor.
Was man zeigen (und brauen) sollte
Das mag sich jetzt spießig anhören, aber irgendwie trägt man ja auch die Verantwortung für eine erfolgreiche zukünftige Hobbybrauer-Karriere der Teilnehmer. Daher sollte man bewusst einfach, aber fundiert arbeiten und ganz bewusst auf unnötig komplizierte, vor allem aber auch auf zweifelhafte und nicht allgemein anerkannte Techniken verzichten, selbst wenn sich diese daheim bewährt haben mögen. Beispiele für eher komplizierte und damit zunächst abschreckende Verfahren wären etwa Dekoktionsmaischen oder zunächst auch Hopfenstopfen, für zweifelhafte Techniken das Aufstreuen von Hefe; vom Flaschenbacken, Grünschlauchen nach Gefühl und dem vielgescholtenen Gartenschlauch ganz zu schweigen.
Jeder Dozent wird natürlich seinen ganz eigenen Stil haben und pflegen. Der eine legt mehr Wert auf fundierte Theorie, der andere auf erlebte Praxis, der dritte auf schmückende Anekdoten. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, solange der Stil zum Publikum passt. Am wichtigsten ist es in meinen Augen, dass man mit seiner eigenen Begeisterung für das Thema Bier (denn sonst hielte man ein solches Seminar nicht) authentisch herüberkommt und damit die Begeisterung der Teilnehmer entfacht. Und auch wenn jeder Dozent seine ganz eigenen, für ihn bewährten Handgriffe und Verfahren entwickelt hat, die abzuschauen wertvoll sein kann, so sollte man nicht die eigene Person in den Mittelpunkt stellen. Das individuelle Vorgehen, das man zeigt, ist immer nur ein möglicher Weg zum Ziel und keinesfalls der einzig richtige Weg!
Damit stellt sich auch die Frage nach einem geeigneten Demo-Rezept. Im Sinne der problemlosen Reproduzierbarkeit durch die Teilnehmer daheim sollte es ein einfaches Rezept sein, obergärig mit Trockenhefe und Flaschengärung. Eigentlich wäre dafür Weißbier ideal, wenn es denn eine brauchbare Weißbier-Trockenhefe gäbe, und wenn es nicht hygienisch so anfällig wäre. Lieber braue ich ein Pale Ale im weitesten Sinne. Als perfekt für Braukurse hat sich bei mir Michael Plums „obergäriger Maibock“ hervorragend bewährt, siehe Link http://www.maischemalzundmehr.de . Das ist einfach genug, gelingt ziemlich sicher, und hat viel Charakter und eine hohe Drinkability.
Anschauungsmaterialien und Requisiten
Ohne dass der Kurs in eine Materialschlacht ausarten sollte, ist es gut, wenn man sowohl zur Rohstoff- als auch Gerätekunde ein paar zusätzliche Anschauungsobjekte dabei hat. Zum Thema Malz kann das etwa das bekannte Malz-Schaubild aus Bamberg sein, aber auch ein paar Schüsselchen oder Tütchen mit Pilsner, Münchner und Weizenmalz sowie ein paar unterschiedliche Caramalze zum Knabbern und Erkennen der Unterschiede (regelmäßig wird dabei das Münchner Malz als am schmackhaftesten bewertet und ist am ehesten leergegessen!). Dann ein europäischer Nobelhopfen und ein amerikanischer C‑Hopfen zum Schnuppern. Ein Tütchen Trocken- und Flüssighefe.
Damit man nicht nur einen Weg dogmatisch vorgibt, kann man an passender Stelle alternative Geräte zumindest „trocken“ zeigen, um auch auf andere Möglichkeiten hinzuweisen. Etwa einen Panzerschlauch, wenn man mit dem Senkboden arbeitet, ein Refraktometer statt Spindel, ein Plattenwärmetauscher anstatt Eintauchkühler und dergleichen mehr.
Passend zur oben gezeigten Choreografie habe ich ein paar Plakate oder Folien vorbereitet, an denen ich die wesentlichen Theorieblöcke erkläre, und die die Teilnehmer anschließend als ausgedrucktes Skript mitbekommen. Im Einzelnen sind dies:
- Rohstoffkunde Malz (Mälzen, Basis- und Spezialmalze, davon beeinflusste Aromen)
- Gerätekunde (Pfannen und Bottiche)
- Der industrielle Brauprozess (Schaubild des Brauerbundes)
- Maischarbeit und Verzuckerung (Amylasen, Optimaltemperaturen, unterschiedliche Maischverfahren wie Dekoktion, Infusion, Kombirast)
- Die Stoffumwandlung vom Malz über den Extrakt bis zum Alkohol und CO2
- Rohstoffkunde Hopfen (Bitter- und Aromahopfen, Hopfengaben, davon beeinflusste Aromen)
- Würzekochung und Hopfung (Aufgaben, Berechnung der Bittere)
- Rohstoffkunde Wasser (Härte und Restalkalität, davon beeinflusste Bierstile)
- Rohstoffkunde Hefe (Ober- und untergärig, davon beeinflusste Bierstile)
- Hygiene, Abkühlen, Anstellen (Reinigungs- und Desinfektionsmöglichkeiten)
- Karbonisierung bei Flaschengärung (Vorgehen, Berechnung der Karbonisierung)
Ganz ohne Rechnen geht es nicht!
Auch wenn man die Teilnehmer, abhängig von deren Vorbildung, nicht mit einem Übermaß an Chemie und Mathematik verschrecken möchte, so ist es mir doch ein zentrales Anliegen, dass jeder Hobbybrauer zumindest drei einfache Berechnungen zwingend beherrschen sollte:
- Bittereinheiten abhängig von Alphasäuregehalt des Hopfens
- Restalkalität aus Gesamt und Karbonathärte, ggf. Milchsäuredosierung
- Zuckermenge als Speise zur Karbonisierung
Auch wenn ich auf die gängigen Onlinerechner hinweise (auch im Handout), führe ich diese drei Rechnungen (nebst der Sudhausausbeute) von Hand am Flipchart oder der Tafel vor, um zu zeigen, dass das alles keine große Hexerei ist. Auf einem weiteren Flipchart-Blatt entsteht von Anfang an ein großformatiges Sudprotokoll mit allen Schritten und Werten, um die Teilnehmer gleich ans Protokollieren zu gewöhnen. Am Ende unterschreiben das dann alle „Biersieder“, und die meisten fotografieren es dann sogar stolz!
Neben all der schnöden Theorie ist aber die wichtigste Erkenntnis eines Braukurses, zu erleben, wie sich die anfängliche unansehnliche „Haferflockensuppe“ durch die wiederholten Schritte der Läuterung und Klärung in klare Würze und später Bier verwandelt. Auch zu sehen, zu fühlen und zu schmecken, wie sich die Maische immer mehr verflüssigt und zuckersüß wird, sorgt regelmäßig für Erstaunen. Auch wenn man die Teilnehmer manchmal zum Kosten erst mühsam überreden muss.
Man sollte sich als Dozent aber darüber klar sein, dass man eine gewisse Gratwanderung zu bewältigen hat: Einerseits ein Bewusstsein für den Aufwand beim Brauen und die Komplexität der Materie zu wecken: Manche Teilnehmer sagen einem anschließend, dass sie das zuvor vermeintlich primitive und plebejische Getränk Bier nun mit völlig anderen Augen und viel höherer Wertschätzung sehen. Andererseits nicht durch zu hohe Komplexität zu verschrecken und zu demotivieren, das ganze einmal selber auszuprobieren.
Literatur und Handouts
Als Skript zum Mitnehmen bekommen die Teilnehmer in meinen Seminaren:
- Den bereits erwähnten Ausdruck der eigenen Folien
- Eine Liste einer Mindest-Ausstattung zum Start in der 20 l‑Einkocherklasse und einiger empfohlener Bezugs- und Informationsquellen
- Die ganz hervorragend kompakte Brauanleitung von Timo Zein für erste eigene Gehversuche
- Und last but not least, als eines der wichtigsten Dokumente für den Anfänger, Stefan Göppers unverzichtbare Zusammenfassung „Bier abfüllen und reifen“
Daneben lege ich immer eine Reihe empfohlener Bücher zur Ansicht aus, wie beispielsweise den Hanghofer (als etabliertes und umfassendes Einsteigerbuch) und den Narziß (um die Bandbreite zu zeigen…) sowie den Randy Mosher (für diejenigen, die sich nicht von englischer Sprache abschrecken lassen). Und dann kann man natürlich auch den Aktenordner mit der gesammelten Zoll-Korrespondenz zeigen:
Die liebe Biersteuer
Natürlich sollte man die Teilnehmer darauf hinweisen, dass sie, wenn sie es daheim ausprobieren, das Hauptzollamt zuvor davon unterrichten sollten. Aber auch beim Braukurs selber ist Biersteuer ein Thema. Die Homepage des Zoll sagt dazu:
Brauen zu Demonstrationszwecken
Im Gegensatz zum Haus- und Hobbybrauen ist die Herstellung von Bier zu Demonstrationszwecken (z.B. bei Messeauftritten, Dorffesten, zu Unterrichtszwecken in Schulen etc.) nicht steuerfrei. Sie müssen als Hersteller dem zuständigen Hauptzollamt Zeitpunkt, Ort und voraussichtliche Menge vor der Bierherstellung formlos anzeigen. Nach Abschluss der Veranstaltung müssen Sie eine Biersteueranmeldung (Formular 2075) über die Menge und den Stammwürzegehalt des erzeugten Bieres abgeben und die Steuer sofort entrichten. Das zuständige Hauptzollamt kann bei kleinen Biermengen und hohem Aufwand für die Ermittlung des Stammwürzegehaltes eine Anmeldung mit einem pauschalen Stammwürzegehalt von 12 Grad Plato zulassen.
Damit sollte eigentlich alles schon gesagt sein! Auch wenn ich Dozenten kenne, die die im Kurs erzeugte Würze anschließend, auch aus hygienischen Gründen, verwerfen und damit gar nicht erst steuerpflichtig werden. Oder die Würze erst daheim mit Hefe anstellen (was spitzfinderweise als eigentliche Bierherstellung gilt) und diese so der heimischen Freimenge zurechnen. In diesem Fall dürfte das Bier aber genau genommen auch nicht anschließend an die Teilnehmer verteilt werden, weil es dann nicht mehr für den eigenen Bedarf ist…
Ich selber halte das Verwerfen der Würze für demotivierend den Teilnehmern gegenüber, die ja ihr Produkt später auch verkosten und nicht nur für den Ausguss gebraut haben wollen! Und wenn der Dozent erst daheim im stillen Kämmerchen anstellt, fehlt im eigentlichen Kurs ein ganz wichtiger Schritt. Also melde ich ganz brav mein Schaubrauen vorher beim Zoll an, überweise direkt im Anschluss die paar Euro Biersteuer, und bin so auf der sicheren Seite, ohne mich auf irgendwelche Spitzfindigkeiten einlassen zu müssen.
Wie geht es weiter?
Vom Zerlegen der Beute und Weitertragen der Flamme
Damit wäre auch schon ein nur schwer lösbares Problem eintägiger Braukurse angesprochen: Aus Zeitgründen kann man eigentlich nur den Sud zeigen, vom Schroten bzw. Einmaischen bis zum Ausschlagen bzw. Anstellen. Das Brauen aber nur auf den Sud zu reduzieren wäre aber ein großer Fehler und würde zu falschen Schlüssen führen. Eine vergärbare Würze zu produzieren haben die meisten noch geschafft, aber viele Probleme stellen sich erst bei der Gärung und Abfüllung im Anschluss. Dies nur theoretisch erklären zu können ist irgendwie unbefriedigend.
Für das, was anschließend mit der Würze passiert, kenne ich unterschiedlichste Ansätze. Vom unbefriedigenden Wegschütten war im vorherigen Absatz bereits die Rede. Manche Dozenten hingegen geben den Teilnehmern die Würze etwa in Mineralwasserflaschen mit heim, um diese selber zu vergären, was ich aber aus verschiedenen Gründen für etwas bedenklich halte. Andere Dozenten verteilen ca. eine Woche später nach der Hauptgärung das abgefüllte Jungbier, damit die Teilnehmer selber die Flaschengärung durchführen und abwarten.
Mir selber ist hingegen folgendes Vorgehen am liebsten: Der eigentliche Kurs geht bis zum Kühlen und Anstellen mit Hefe. Anschließend vergäre ich das Bier bei mir daheim, fülle es ab, mache die Nachgärung und Reifung. Während dessen schicke ich aber alle paar Tage den Teilnehmern eine Rundmail oder Whatsapp mit Updates: Was ich jeweils getan habe, wo der Restextrakt gerade ist, bei welcher Temperatur das Bier steht, Fotos von den Kräusen, vom Umschlauchen und vom Abfüllen. Und dann treffen wir uns etwa 4 bis 8 Wochen später für einen Abend zu einem zwanglosen Nachtreffen.
Beim Nachtreffen gibt es dann wieder eine Brotzeit oder ein Grillen, und dazu wird ein Teil des gemeinsamen Produkts verkostet und natürlich gleich getrunken. Die übrigen Flaschen werden zum Mitnehmen verteilt. Dieses Nachtreffen wird immer sehr gut angenommen und ist stets ein sehr fröhlicher und netter Abend mit Diskussionen rund ums Bier, die sich oft bis weit in die Nacht ziehen. Vor allem kann dabei endlich auch der Dozent, der während des Kurses die ganze Zeit „unter Feuer stand“, nun auch selber etwas entspannen, zwanglos plaudern und etwas dabei trinken.
Ein ganz besonderes Erfolgserlebnis ist es aber, wenn zum Nachtreffen manche Teilnehmer selber schon ihr erstes daheim selbstgebrautes Bier mitbringen! Oft sind ganz hervorragende Biere dabei. Und was könnte es für einen besseren Beweis dafür geben, dass es beim Seminar gelungen ist, von der eigenen Begeisterung etwas abfärben zu lassen und den Hobbybrauer-Virus weiterzugeben!
Alle Fotos: Joachim Bull Erwähnte Literatur:
Hallo Moritz.
Sehr schön Dein Erfahrungsbericht. Vieles habe ich als Dozent ebenso empfunden und dennoch konnte ich auch einiges in mein Repertoire aufnehmen. Mir gefällt an diesem Magazin auch das eben solche Themen einmal angesprochen werden. Im Sinne von : „Den Hobbybrauer-Virus weiter zu verteilen!”
Großartiger Beitrag, der jedem Dozenten vorgelegt werden sollte. Ich hatte am Anfang einen eher mittelprächtigen Braukurs, der einiges wichtiges (Wasser!) garnicht behandelte, und ein eher ungeeignetes Rezept präsentiert hat. Eine lokale Brauerei war omnipräsent in Form von auf- und Vordrucken und bei der Verköstigung. Werbung für die Webseite/den Shop des Dozenten wurde auch noch gemacht. Der Schritt der Vergärung wurde in jeder Hinsicht komplett gespart, dafür Reinheitsgebotbashing vom Feinsten.
Falls ich mich irgendwann mal soweit fühle selbst eien Kurs anzugehen, werde ich mit Freude diesen Artikel noch einmal studieren. Letztendlich erhält er wirklich das, was ich mir bei meinem ersten Braukurs erhofft hätte und was ich mir vorstelle, was darin vorkommen sollte. Vielen Dank dafür.
Herzliches Dankeschön für deinen grossartigen Beitrag zum Bierbrauen und wie man Kurse organisieren soll.
Zusammen mit einem Kollegen haben wir vor Jahren als Autodidakten mit Bierbrauen begonnen und machen heute ganz anständige Biere für den Eigengebrauch :-). Die Lust am Brauen ist gross, aber der „Schluck” mag dem nicht Schritthalten. Darum haben wir vor etwa 3 Jahren begonnen, den Virus in Form von Kursen weiter zu geben, so kommen auch wir wieder vermehrt zum Brauen.
Unsere Kurse haben wir von Beginn weg wie von dir beschrieben aufgebaut, dazu eine eigene Dokumentation geschrieben, die wir abgeben. Gebraut wird ab dem Einmaischen bis zum Kühlen am selben Tag. Vergären und Abfüllen geschieht durch uns und man trifft sich nach 6–7 Wochen zum gemeinsamen Grillabend und verteilen dann die eigenen Biere.
Gestartet wird mit Kaffee und Gipfeli „Croissants” und bis Mittags gibt es nur Mineralwasser. Weil Bierbrauen ein langes Prozedere ist und Wartezeiten entstehen, wird parallel dazu in 2er Teams gewurstet, diese werden zu Mittag gegessen und am Schluss kann jeder etwa 1 kg Bratwürste mit nach Hause nehmen. Nach dem Mittagessen veranstalten wir eine Bierdegustation mit 6–7 Bieren (ca 0,5 dl pro TN). Nach X Kursen hatten wir bisher nie das Problem von „Kampftrinkern” und Lustlosen Nachmittagen.…