Etwas wehmütig nippe ich an der ersten Flasche vom dunklen untergärigen Grünhopfenbock. Er ist jetzt seit einer Woche abgefüllt und hat bereits beim Zwickeln genial geschmeckt. So gut ist uns bisher selten ein Bier gelungen. Schade nur, dass wir derartig frei nach Schnauze gebraut haben, dass wir das Rezept wahrscheinlich nie wieder genau so reproduziert bekommen. Aber vielleicht macht das ja auch den besonderen Charme der Sache aus.
Das Ganze begann in der Hallertau des Nordens (meinem Kleingarten), als ich mit Rainer im Juni 2016, jeder ein selbstgebrautes IPA in der Hand, auf die vielen Hopfenpflanzen blickte. Jetzt, wo einige Pflanzen schon im dritten Jahr standen, würde ordentlich was dranhängen. Cascade, Saphir, Smaragd, Magnum, Perle, Spalter Spalt und Taurus, alle mit mehreren Pflanzen vertreten. Wer sollte die bloß alle pflücken? Das war allein kaum zu schaffen.
Rainer hatte die rettende Idee. Inspiration dazu war das Hobbybrauertreffen im Herbst davor in Röbel. Wir würden zu einem Hobbybrauertreffen nach Wismar einladen. Hopfenernte und ein Grünhopfensud auf dem Holzfeuer-Waschkessel sollten es werden. Dazu ein wenig Fleisch auf den Grill werfen. Die Hobbybrauer in der Nordwestmecklenburger Ecke waren bisher nicht allzu vernetzt miteinander, das schien uns eine gute Gelegenheit zu sein, das einmal zu ändern.
Einige Forumsbeiträge, Anrufe, E‑Mails und Hotelbuchungen später war klar, dass Interesse an der Aktion vorhanden war. Der Termin stand durch den Erntezeitpunkt des Hopfens im Grunde automatisch fest. Ausnahmsweise, und immer wieder gern, würden wir sogar Teilnehmer aus Schleswig-Holstein und Berlin dulden, zumal diese einige selbstgemachte Köstlichkeiten im Gepäck haben würden.
Um den Hopfengeschmack nicht mit Leitungswasser von 20 °dH zu ruinieren, wurden einige Tage vor dem Treffen unter dem steten Gejammer der Helfer 180 Liter weiches Brunnenwasser herangeschafft.
Dann war der Tag gekommen. Peter hatte nach eigenen Angaben das gute Wetter mitgebracht. Das hatte er wirklich gut gemacht, denn wir hatten Sonnenschein von morgens bis abends. Entgegen aller Gewohnheit, am Brautag möglichst um 8 Uhr einzumaischen, starteten wir erst um 10 Uhr, damit auch unsere Gäste von weiter weg eine Chance hatten, von Anfang an dabei zu sein. Gestartet wurde auch nicht etwa mit dem Einmaischen, sondern mit einem zünftigen Zwiebelmett-Brauerfrühstück und frischgemahlenem Kaffee. Beim Frühstück gab es dann auch gleich eine Vorstellungsrunde, denn abgesehen von den Braukombinatsleuten kannten sich die meisten Teilnehmer noch nicht gegenseitig. Spannend, aus welch unterschiedlichen Bereichen die Teilnehmer kamen. Von Handwerker und Ingenieur über Psychiater, Richter und Heimleiter bis zu Bauleiter und Kapitän war einiges dabei. Gemeinsam hatten alle die Liebe zu guten, handwerklich gebrauten Bieren.
Nach dem ersten Beschnuppern wurde gleich noch weitergeschnuppert, und zwar durch die Vielfalt der angepflanzten Hopfensorten. Frisch von der Pflanze gepflückt, wurde so manche Dolde unter der Nase zerrieben. Wer wollte, durfte sich einige aus Fechsern vermehrte Pflanzen mitnehmen. Der alte DDR-Blech-Waschkesselofen erntete kritische Blicke. Das sah doch deutlich anders aus als der gasbefeuerte Edelstahlbottich zu Hause. Eifrige Helfer hatten derweil schon mal Feuer unter dem Kessel gemacht, und während wir auf 57 Grad zusteuerten, wurde fleißig Malz geschrotet. Hier gab es dann bereits den einen oder anderen Erfahrungsaustausch, wer wie und womit eigentlich schrotet.
Eingemaischt war nun, die erste Rast lief. Zeit, mal zu sichten, was die Teilnehmer eigentlich an Verkostungsproben mitgebracht hatten. Ziel war, alles ungefähr nach Stärke und IBUs zu sortieren, damit wir die Verkostung nicht unbedingt mit einem Russian Imperial Extra Stout beginnen. Mein Wunsch aufgrund der Vielzahl der Proben, vielleicht von jeder Sorte nur einen Liter mitzubringen, war natürlich fröhlich ignoriert worden. Den Vogel schoss Stefan ab, der gleich mehrere NC-Kegs im Gepäck hatte. Oha! Würden wir das alles verkosten, war ich nicht sicher, ob noch jemand in der Lage sein würde, die letzte Hopfengabe zu machen.
Hopfengabe war das Stichwort. Der musste ja noch gepflückt werden, das hatten wir vor lauter Fachsimpeln glatt aus den Augen verloren! Während wir uns durch die ersten Bierproben kosteten, wurden Spalt, Smaragd, Cascade und Magnum aus luftiger Höhe geerntet, und jeder, der gerade eine Hand frei hatte, puhlte die Dolden ab. Wie viel brauchen wir denn? Gute Frage. Die Meinungen, welche Mengen Grünhopfen denn den getrockneten Dolden entsprechen, gingen weit auseinander. Außerdem war der Gehalt an Alphasäure natürlich ein ziemliches Ratespiel. Am Ende beschlossen wir, einfach nach 60 Minuten Kochen mal zu probieren. Das wäre doch gelacht, wenn so viele erfahrene Hobbybrauer nicht in der Lage wären, freihändig einen guten Bitterwert zu treffen!
Als Vorbereitung auf diese schwierige Aufgabe war es höchste Zeit, die beiden Bleche selbstgemachten Apfelkuchens anzuschneiden, die unsere lieben Besucher mitgebracht hatten.
Zuvor kam aus allgemeinem Interesse noch Franks Meisterstück, unsere spezielle Heizungspumpen-Saugfußgitter-Läuterkonstruktion, zum Einsatz. Das Teil widerspricht so ziemlich jeder Läutertheorie, funktioniert aber trotzdem bei nicht zu dicken Maischen im Waschkessel ganz hervorragend und ist zudem schön schnell. Das war übrigens der einzige Punkt des gesamten Brauvorgangs, an dem Strom nötig war!
Hopfen hatten wir heute nun schon zur Genüge gesehen. Daher bestand kein gesteigerter Bedarf, beim Hopfenkochen dabei zu sein. So machten sich alle Interessierten auf, einen Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Wismarer Altstadt zu werfen. Sehenswert war natürlich auch das einzig verbliebene Brauhaus Wismars, in dem wir nicht daran vorbeikamen, mal die berühmte Mumme kritisch zu verkosten.
Der im Garten verbliebene Rest hatte brav alle Hopfengaben durchgeführt und außerdem die schlicht geniale Idee gehabt, schon mal den Grill anzuwerfen. Während sich die Temperatur der Bierwürze mit Unterstützung von zehn Meter Kupferkühlschlange zügig auf die 20 °C zubewegte, wurde es langsam dunkel. Wir konnten im Feldversuch beweisen, dass Hopfen definitiv nicht gegen Mücken hilft. Wohl aber ein schönes, großes Feuer. Am Feuer durften nun die höheren Grad Plato und die heftigen IBU-Werte vorstellig werden.
Wir haben an diesem Abend noch ganz viel sehr gutes Bier probieren dürfen, kreuz und quer unglaublich spannende Gespräche über die verschiedensten Brauthemen geführt, und hatten eine ziemlich gute Zeit.
Am nächsten Morgen um zehn fanden sich alle Übernachtungsgäste noch mal im Garten ein, und alle haben mit aufgeräumt. Dafür noch mal ganz speziellen Dank! Die letzten Bierproben, die wir abends nicht mehr geschafft hatten, wurden großzügig verteilt. Uns als Organisatoren hat die ganze Aktion sehr, sehr gut gefallen, von den Rückmeldungen unserer Gäste her den anderen wohl auch. Beim Abschied versprachen wir uns gegenseitig, so etwas bald mal wieder zu machen!
Autor und Gastgeber Heiner Busche ist Ingenieur, Jahrgang 1977, verheiratet, drei Kinder, und wohnt in Wismar an der Ostseeküste.