Der idea­le Starter

Ein Tag in der Hefe­bank Weihenstephan

Ein paar Hob­by­brau­er­kol­le­gen vom Münch­ner Stamm­tisch hat­ten die sel­te­ne Gele­gen­heit, die Hefe­bank Wei­hen­ste­phan einen Tag lang zu besu­chen und deren tech­ni­schen Lei­ter Ulrich Pei­se mit Fra­gen zu löchern. Und vie­le der dabei gewon­ne­nen Erkennt­nis­se las­sen sich bes­tens auch im Hob­by­maß­stab nutzen.

Zur Geschich­te

Hefebuch

Fast schon eine Reliquie: Prof. Weinfurtners Hefebuch

Die Hefe­bank Wei­hen­ste­phan, wohl die ältes­te und pres­ti­ge­träch­tigs­te Hefe­bank, steht in kei­ner wirt­schaft­li­chen Ver­bin­dung zur TU Mün­chen. Sie wur­de in den 1940er-​Jahren von Prof. Wein­furt­ner gegrün­det (daher kommt übri­gens das W in den Bezeich­nun­gen der Hefe­stäm­me!) und vom jewei­li­gen Wei­hen­ste­pha­ner Lehr­stuhl­in­ha­ber neben­be­ruf­lich betrie­ben, bis nach einer Vakanz sie Dr. Fritz Briem vor eini­gen Jah­ren erwer­ben konnte.

Ihr Auf­trag ist es, die Brau­in­dus­trie welt­weit mit einer Viel­zahl von Hefe­stäm­men zu ver­sor­gen, wobei das Allein­stel­lungs­merk­mal in einem spe­zi­el­len, geheim gehal­te­nen Konservierungs- und Pro­pa­ga­ti­ons­ver­fah­ren besteht, das es erlaubt, auch nach Jahr­zehn­ten die Ori­gi­nal­stäm­me ohne Muta­tio­nen anbie­ten zu kön­nen. Wäh­rend in der Brau­in­dus­trie in den letz­ten Jahr­zehn­ten welt­weit fast nur noch mit weni­gen, an den Fin­gern abzu­zäh­len­den Hefe­stäm­men gear­bei­tet wur­de, ist die Hefe­bank Wei­hen­ste­phan eine Arche für ca. 1000 unter­schied­li­che Kul­tu­ren, dar­un­ter ca. 400 Bier­he­fen. Etwa 180 Stäm­me davon sind aktu­ell in Verwendung.

Füh­rung durch die Hefebank 

Tabernakel

Blick ins Allerheiligste der Hefebank

Die Hefe­bank resi­diert in einem schlich­ten, moder­nen Büro- und Werk­statt­ge­bäu­de in einem Gewer­be­ge­biet in der Hal­ler­tau. Kein Schild weist auf den Schatz hin, der sich dort befin­det. Gewis­ser­ma­ßen das Aller­hei­ligs­te ist eine Rei­he gro­ßer Kühl­schrän­ke, in denen die ein­zel­nen Stäm­me auf Schräg-​Agar auf­be­wahrt wer­den. Ulrich Pei­se öff­net stolz einen die­ser Kühl­schrän­ke für weni­ge Sekun­den ehr­furchts­voll wie einen Taber­na­kel, so dass wir einen Blick hin­ein erha­schen kön­nen. Fer­ner sehen wir zwei Reinraum-​Werkbänke für sämt­li­che Mani­pu­la­ti­ons­schrit­te zur Pro­pa­ga­ti­on sowie eine gan­ze Bat­te­rie von Magnet­rüh­rern, auf denen in gro­ßen Fla­schen die Star­ter auf­ge­zo­gen wer­den. Der Ver­sand an die Kun­den erfolgt in vier unter­schied­li­chen Formen:

Von Schräga­gar, Wat­te oder von sog. Kry­o­per­len kann im jewei­li­gen Ziel­be­trieb unter Rein­zucht­be­din­gun­gen die Hefe selbst her­ge­führt wer­den. Die Kry­o­per­len erlau­ben die tief­ge­fro­re­ne Auf­be­wah­rung der Kul­tur. Wer sich die ers­ten Pro­pa­ga­ti­ons­schrit­te erspa­ren möch­te, kann auch einen 500 ml-​Flüssigstarter beziehen.

Pro­pa­ga­ti­on für Hobbybrauer

Vie­les von Ulrichs enor­men Exper­ten­wis­sen über Hefe­pro­pa­ga­ti­on ist auch für uns Hob­by­brau­er bes­tens nutz­bar. Denn sehr oft stel­len sich Fra­gen wie:

ich habe hier das Gelä­ger aus drei Weißbierflaschen/​eine x Mona­te alte Erntehefe/​einen Activator-​Beutel Wye­ast –Hefe und möch­te damit y Liter Wür­ze anstel­len. Brau­che ich dafür einen Starter?“

Grund­la­gen: Pha­sen der Hefe­ver­meh­rung und Vergärung

Die zwei wich­tigs­ten Kri­te­ri­en sind die Hefe­qua­li­tät und die Hefe­men­ge. Zunächst zur Hefequalität:

Um ent­schei­den zu kön­nen, wel­ches Vor­ge­hen bei der Hefe­pro­pa­ga­ti­on ziel­füh­rend ist, müs­sen wir ein paar Grund­la­gen über die Hefe­ver­meh­rung ver­ste­hen. Betrach­tet man die Men­ge der akti­ven Hefe­zel­len wäh­rend der Gärung, kann man vier Pha­sen unterscheiden:

  • Die Lag-​Phase oder Latenz­pha­se: Die Hefe passt sich, stark ver­ein­fa­chend gespro­chen, an die Wür­ze an. Sie ana­ly­siert die ver­füg­ba­ren Nähr­stof­fe und berei­tet durch Akti­vie­rung von Enzy­men ihren Stoff­wech­sel vor. Inner­halb der Hefe­zel­le fin­det dabei eine Unmen­ge an Stoff­wech­sel­pro­zes­sen statt, die aber noch kei­nen Ein­fluss auf die Wür­ze haben. Wir war­ten auf das Ankom­men der Gärung.
  • Die Log-​Phase: Die Hefe ist voll aktiv, noch besteht ein gutes Ange­bot an Nähr­stof­fen und Sau­er­stoff. Die Hefe ver­mehrt sich über meh­re­re Tei­lungs­zy­klen hin­weg mit kon­stan­ter Ver­meh­rungs­ra­te. Die Gärung setzt ein.
  • Die sta­tio­nä­re Pha­se: Der Sau­er­stoff ist ver­braucht, die Nähr­stof­fe neh­men ab, der Platz wird knapp. Es kommt zu einem Gleich­ge­wicht zwi­schen Hefe­ver­meh­rung und –Abster­ben. Für uns läuft die alko­ho­li­sche Gärung ver­lang­samt wei­ter, der Extrakt wird abgebaut
  • Die leta­le Pha­se: Die Nähr­stof­fe sind ver­braucht, die Hefe ver­hun­gert oder geht an den eige­nen Stoff­wech­sel­pro­duk­ten zu Grun­de. Die Gärung kommt zum Erliegen.
Extraktabbau

Typischer Gärverlauf (Extraktabbau)

Für uns bes­ser mess- und sicht­bar ist der Gär­ver­lauf am Extrakt­ab­bau: Zunächst das War­ten auf das Ankom­men, dann die ein­set­zen­de Gärung mit stärks­tem Extrakt­ab­bau (steils­ter Gra­di­ent) wäh­rend der Hoch­kräu­sen, dann immer wei­te­res Ver­fla­chen der Kur­ve, bis schließ­lich die End­ver­gä­rung asym­pto­tisch erreicht wird.

Bezo­gen auf das Alter der Hefe­zel­len las­sen sich wie­der­um fol­gen­de vier Sta­di­en unterscheiden:

  • Kin­der“, die gera­de durch Spros­sung gebil­det wur­den, aber noch nicht ver­meh­rungs­reif sind,
  • Jun­ge Erwach­se­ne“, die in vol­ler Blü­te ste­hen und ver­meh­rungs­ak­tiv sind,
  • Erwach­se­ne“, deren Ver­meh­rungs­ra­te durch immer mehr Spross­nar­ben (inak­ti­ve Ober­flä­che) lang­sam zurückgeht,
  • Senio­ren“ mit redu­zier­tem Stoff­wech­sel, mit deren bal­di­gem Abster­ben zu rech­nen ist.
hefealter

Hefezellen sind unterschiedlich gesund

Nur die aller­bes­te Hefe

Was bedeu­tet das alles für uns? Wenn wir die opti­ma­le Hefe zum Anstel­len oder zum Imp­fen des nächst­größ­ten Star­ters haben wol­len, so erge­ben sich dar­aus zwei Ziele:

  • In Bezug auf das Hefe­al­ter mög­lichst vie­le „Kin­der“ und „jun­ge Erwach­se­ne“ (und dem­entspre­chend mög­lichst weni­ge Senioren)
  • In Bezug auf die Hefe­ak­ti­vi­tät mög­lichst am Über­gang zwi­schen Log- und kon­stan­ter Pha­se (größ­te Hefe­kon­zen­tra­ti­on mit höchs­ter Akti­vi­tät), in der Gra­phik die rote „Bla­se“.
Hefeaktivitaet

Hefen sind unterschiedlich aktiv

Wol­len wir unse­re idea­le Anstell­he­fe aus einem in Gärung befind­li­chen Sud gewin­nen („Anstel­len mit Kräu­sen“), so emp­fiehlt sich eine gera­de voll ange­kom­me­ne Gärung (begin­nen­de Hoch­kräu­sen), typi­scher­wei­se nach 48 bis 72 Stun­den. Bei unter­gä­ri­gem Bier soll­te dafür ein Teil der gären­den Wür­ze mit in Schwe­be befind­li­cher Hefe genom­men wer­den, bei ober­gä­ri­gem Bier die auf­schwim­men­de Hefe­de­cke. Die Hefe­zell­zahl soll­te sich idea­ler­wei­se nach 24 Stun­den etwa ver­dop­pelt haben, so dass man einen Tag nach dem Ankom­men der Gärung (Über­wei­ßen) einen wei­te­ren Sud „drauf­las­sen“ kann.

ulm-vergleich

Größenvergleich: Wären wir eine Hefezelle, wäre ein Millimeter höher als das Ulmer Münster

Damit wird auch klar, dass man auch bei einem Star­ter mög­lichst nicht auf das Abset­zen der Hefe war­ten soll­te und nicht, wie oft beschrie­ben, den Wür­ze­über­stand abde­kan­tie­ren soll­te: Denn so rich­tig setzt sich die Hefe erst nach End­ver­gä­rung ab (vor allem bei einem belüf­te­ten Star­ter)! Im Boden­satz wür­den wir dann einen hohen Anteil mit­tel­al­ter und alter Hefen gewin­nen, noch dazu am Ende ihrer Akti­vi­tät: Die „Bla­se“ im Dia­gramm wür­de deut­lich brei­ter wer­den und nach hin­ten wan­dern. Außer­dem ent­spricht die Schicht­di­cke jedes Mil­li­me­ters Hef­ese­di­ment über hun­dert Hefe­zel­len über­ein­an­der: Wo woll­te man dar­in die Hefe mit den bes­ten Eigen­schaf­ten finden?

Zie­hen wir den Star­ter aber auf einem Magnet­rüh­rer auf und über­füh­ren ihn gegen Ende der Log-​Phase kom­plett in das nächst­grö­ße­re Wür­ze­vo­lu­men, picken wir uns damit ziel­ge­nau die Hefen am Ide­al­punkt heraus.

Belüf­ten ja oder nein? 

Magnetrührer

Hefepropagation auf dem Magnetrührer

Bei die­sem Vor­ge­hen muss ein Star­ter auch nicht dau­ernd belüf­tet wer­den, zudem dies immer eine gewis­se zusätz­li­che Infek­ti­ons­ge­fahr birgt. Es genügt, wenn man einen Magnet­rüh­rer hat, zur Initi­al­be­lüf­tung anfangs so schnell zu rüh­ren, dass der Stru­del hör­bar rauscht und damit Luft ein­zieht. Danach kann man den Rüh­rer lang­sa­mer stel­len, so dass ein z.B. nur noch 2 oder 3 cm tie­fer Stru­del eine gleich­mä­ßi­ge Durch­mi­schung anzeigt.

Bei einem unbe­lüf­te­ten Star­ter muss man auch nicht zwin­gend so genau den rich­ti­gen Zeit­punkt zum Anstel­len abpas­sen wie bei einem belüf­te­ten. Und soll­te man etwa auf­grund der Far­be der Pro­pa­ga­ti­ons­wür­ze doch nicht den kom­plet­ten Star­ter zum Anstel­len ver­wen­den wol­len, kann man mit genü­gen­dem Zeit­puf­fer die Hefe vor dem Anstel­len dann doch abset­zen lassen.

Die rich­ti­ge Anstellmenge

Oft hört man für unter­gä­ri­ges Bier die Faust­re­gel, mit 0,5 bis 1 Liter dick­brei­iger Hefe pro hl anzu­stel­len. Dick­brei­ige Hefe (das ist der Boden­satz, wenn sich z.B. Ern­tehe­fe abge­setzt hat) ent­hält 1 bis 2 Mil­li­ar­den Hefe­zel­len pro ml. Wenn wir also einen Hek­to­li­ter Wür­ze mit 0,5 Liter Hefe von 2×109 Zellen/​ml anstel­len, sind das 10 Mil­lio­nen Zellen/​ml in der Anstellwürze.

Bes­ser und genau­er sind die Ziel­wer­te für unter­gä­ri­ges Bier von 1 bis 1,2×106 Zellen/​ml pro Grad Pla­to (was bei einem Voll­bier ca. 10 bis 15×106 Zellen/​ml ent­spricht) bzw. für ober­gä­ri­ges Bier von 0,5 bis 1×106 Zellen/​ml pro Grad Plato.

Stel­len wir statt mit Ern­tehe­fe mit frisch pro­pa­gier­ter Hefe an, sieht es völ­lig anders aus: Ein typi­scher Wert für Pro­pa­ga­ti­ons­he­fe wäre 100×106 Zellen/​ml, so dass wir dann 11 Liter Hefe auf 1 hl geben müs­sen: Ein Riesenunterschied!

Pro­pa­ga­ti­ons­schrit­te

Da wir Hob­by­brau­er im Gegen­satz zu kom­mer­zi­el­len Rein­zuch­ten nicht ste­ril, son­dern bes­ten­falls keim­arm arbei­ten kön­nen, soll­ten wir für ein mög­lichst zügi­ges Ankom­men der ein­zel­nen Pro­pa­ga­ti­ons­schrit­te sor­gen, um Fremd­kei­men mög­lichst wenig Gele­gen­heit zu geben. Gehen wir also davon aus, dass wir jeden Pro­pa­ga­ti­ons­schritt genau­so wie eine Anstell­wür­ze jeweils mit min­des­tens 10×106 Zellen/​ml anstel­len sollten.

Wenn wir wei­ter anneh­men, dass sich die Hefe unter idea­len Pro­pa­ga­ti­ons­be­din­gun­gen (20°C, nähr­stoff­rei­che Wür­ze, Magnet­rüh­rer) inner­halb von 24 h auf 100×106 Zellen/​ml ver­mehrt , ergibt sich dar­aus wie von selbst eine Pro­pa­ga­ti­ons­fol­ge von 1:10, jeder Schritt hat also das 10-​fache Volu­men des Vori­gen. Also bei­spiels­wei­se so:

  • Schräga­gar abimp­fen in 10 ml Würze
  • Nach 1 Tag über­füh­ren in 100 ml Würze
  • Nach 1 Tag über­füh­ren in 1 l Würze
  • Nach 1 Tag über­füh­ren in 10 l Würze
  • Nach 1 Tag anstel­len und ver­gä­ren von 1 hl Würze.

Man müss­te also 4 Tage vor dem Sud­ter­min mit der Pro­pa­ga­ti­on begin­nen. Auch hier emp­fiehlt es sich natür­lich, die ein­zel­nen Star­ter nicht zu dekan­tie­ren, son­dern kom­plett in die jeweils nächs­te Stu­fe zu überführen.

Noch siche­rer ist man unter Hob­by­be­din­gun­gen mit einer Pro­pa­ga­ti­ons­fol­ge von 1:8. Ist in der Aus­gangs­he­fe der Anteil leben­der Zel­len aber unge­wiss oder gering (z.B. lan­ge gela­ger­te Ern­tehe­fe, eine alte Tro­cken­he­fe oder Fla­schen­ge­lä­ger), soll­te man mit deut­lich klei­ne­ren Pro­pa­ga­ti­ons­schrit­ten von 1:2 oder 1:3 begin­nen, also z.B. 10 ml in 20 ml in 60 ml in 300 ml in 1,5 l in 10 l. Nur der letz­te Schritt vor dem Anstel­len soll­te jeweils „groß“ gewählt werden.

Die rich­ti­ge Propagationswürze

Idea­les Medi­um zu Hefe­ver­meh­rung ist Bier­wür­ze. Natür­lich wird nicht jeder ein paar Tage vor dem Sud einen eige­nen Pro­pa­ga­ti­ons­sud machen wol­len, auch wenn dazu ein Vor­der­wür­ze­sud mit einer ein­fa­chen Kom­bi­rast, z.B. 1 Stun­de bei 68°C, voll­kom­men genü­gen wür­de. Fein raus ist man, wenn man vom letz­ten Sud etwas Wür­ze in pas­sen­den Por­tio­nen ein­ge­fro­ren hat und die­se nur noch auf­zu­tau­en, ggf. zu ver­dün­nen und abzu­ko­chen hat. Für die ers­ten, klei­nen Por­tio­nen haben sich Einweg- Blis­ter­beu­tel für Eis­wür­fel bes­tens bewährt. Beim Abko­chen kann man gleich etwas Hefenähr­salz oder sogar etwas alte Hefe als Nah­rung zugeben.

Ansons­ten kann man auch bes­tens mit Malz­ex­trakt als Pro­pa­ga­ti­ons­wür­ze arbei­ten, auf etwa 6–8 Grad Pla­to ein­ge­stellt und idea­ler­wei­se mit etwas Hefenah­rung. Malz­bier, alko­hol­frei­es Bier aus gestopp­ter Gärung oder gar Apfel­saft sind eher nur als abso­lu­ter Not­be­helf zu werten.

Die Hobbybrauer-​Fraktion der Über-​Nacht-​Abkühler hat zudem die Mög­lich­keit, den letz­ten, gro­ßen Pro­pa­ga­ti­ons­schritt in ver­dünn­ter, abge­koch­ter Vor­der­wür­ze durch­zu­füh­ren, wäh­rend der Haupt­sud lang­sam abkühlt.

Erken­nen der Hefevermehrung

Sediment

Abschätzen der Hefemenge

Wor­an kann man erken­nen, ob sich die Hefe wäh­rend des jewei­li­gen Pro­pa­ga­ti­ons­schritts wie gewünscht ver­mehrt hat? Nicht jeder wird ein geeig­ne­tes Mikro­skop, geschwei­ge denn eine Thoma-​Zählkammer haben. Nähe­rungs­wei­se geht es auch, indem man zu Beginn und Ende des jewei­li­gen Schritts ein klei­nes Reagenz­glas abzweigt, die Hefe dar­in durch Erhit­zen auf ca. 70°C abtö­tet und sedi­men­tie­ren lässt. Am Ver­hält­nis zwi­schen dick­brei­igem Boden­satz (wie gesagt ca. 1×109 Zel­len pro ml) und kla­rem Über­stand kann man die jewei­li­ge Hefe­kon­zen­tra­ti­on erkennen.

Ent­schei­det man sich für eine bestimm­te, ein­heit­li­che Reagenzglas-​Höhe, könn­te die Stär­ke des Hef­ese­di­ments sogar als prag­ma­ti­sche, inof­fi­zi­el­le Maß­ein­heit für die Anstell­men­ge her­hal­ten: „Ich habe mit sound­so­viel mm Hefe ange­stellt…“.

Hygie­ne

Dass wäh­rend der Pro­pa­ga­ti­on so keim­arm wie mög­lich gear­bei­tet wer­den soll­te und dass alle Gerä­te und die Pro­pa­ga­ti­ons­wür­ze mög­lichst ste­ri­li­siert sein soll­ten, ver­steht sich von selbst. Klei­ne Wür­ze­ge­fä­ße kön­nen, bereits gefüllt und mit Wat­te­stop­fen ver­se­hen, etwa in einem Druck­koch­topf ste­ri­li­siert werden.

Sterilisation

Sterilisierte Würzefläschchen frisch aus der Autoklave

Alle Gefä­ße, auch der Gär­bot­tich, soll­ten vor einer Des­in­fek­ti­on best­mög­lich gerei­nigt wer­den, was man durch Aus­rei­ben mit einem Blatt wei­ßem Dru­cker­pa­pier über­prü­fen kann. Und „ste­ri­len Dreck“ gibt es schon gar nicht! Ver­ge­gen­wär­tigt man sich noch ein­mal die Grö­ßen­ver­hält­nis­se (dass eine 1 mm star­ke Schmutz- oder Bier­stein­schicht, hät­ten die Hefe­zel­len Men­schen­grö­ße, fast 200 Meter stark wäre), wird klar, dass even­tu­el­le Schäd­lin­ge von kurz­zei­tig an der Außen­sei­te wir­ken­den Des­in­fek­ti­ons­mit­teln herz­lich unbe­ein­druckt bleiben.

Ein beson­de­res The­ma ist das „Strip­pen“ von Fla­schen­ge­lä­gern, ein weit­ver­brei­te­ter Weg, um etwa an Weiß­bier­he­fen zu gelan­gen. Da der Fla­schen­rand und die Hohl­keh­le unter dem Kron­kor­ken nahe­zu zwangs­läu­fig immer ver­keimt ist, soll­te man den Fla­schen­rand mit einem alko­hol­ge­tränk­ten Tuch abwi­schen und anschlie­ßend mit einem Gas­bren­ner abflammen.

Auf­be­wah­ren von Hefe

Zur direk­ten Ver­wen­dung soll­te Ern­tehe­fe nicht län­ger als etwa eine Woche auf­be­wahrt wer­den. Nach län­ge­rer Lage­rung (bis zu etwa 3 Mona­ten) ist es rat­sam, dar­aus einen neu­en Star­ter zu pro­pa­gie­ren. Bereits hier kann der Schritt über eine Agar-​Kultur in einer Petri­scha­le als opti­sche Qua­li­täts­kon­trol­le die­nen, ob sich Fremd­kei­me ein­ge­nis­tet haben.

Län­ge­re Auf­be­wah­rungs­dau­ern erzielt man mit Agar­kul­tu­ren, wobei es sicher kei­ne schlech­te Idee ist, zur Ver­jün­gung jähr­lich davon eine neue Kul­tur abzu­imp­fen und zu pro­pa­gie­ren. Aber dann hat man fast schon eine eige­ne Hefe­bank im Klei­nen, ein „Hob­by im Hob­by“ für Spezialisten.

Ideen und Visionen

Weißwurst

Weißwürste in entmineralisiertem Wasser auf dem Magnetrührer

Bein einer Weiß­wurst­brot­zeit, stil­echt auf dem Magnet­rüh­rer zube­rei­tet, gab es genug Gele­gen­heit, um auch abseits der puren Hefe­tech­no­lo­gie zu plau­dern. Ulrich Pei­se bekennt sich lei­den­schaft­lich zum Ziel, die Viel­falt der von Braue­rei­en ein­ge­setz­ten Hefen zu för­dern: Es sei bereits eine gro­ße Viel­falt an Mal­zen und mehr noch an Hop­fen­sor­ten ver­füg­bar. Dem­ge­gen­über bestehe bei den Hefe­stäm­men, vor allem ange­sichts der Domi­nanz nur ganz weni­ger Stäm­me auf der unter­gä­ri­gen Sei­te, noch viel Nachholbedarf.

Wie schön wäre es, wenn Braue­rei­en bei­spiels­wei­se ein Export, ein Pils und ein Dunk­les mit jeweils einem ande­ren, his­to­risch und sen­so­risch pas­sen­den Hefe­stamm ver­gä­ren wür­den. Hier sieht er auch die Rol­le von uns Hobbybrauern:

Einer von uns Münch­ner Hob­by­brau­ern etwa hat erst neu­lich einen Sud Dunk­les geteilt und mit 4 ver­schie­de­nen unter­gä­ri­gen Hefen unter ansons­ten iden­ti­schen Bedin­gun­gen ver­go­ren, sie­he auch den Arti­kel „Ende der Neu­tra­li­tät” in der sel­ben Aus­ga­be. Und alle, die die Ergeb­nis­se ver­kos­tet haben, schwär­men von den völ­lig unter­schied­li­chen Aro­ma­pro­fi­len selbst der unter­gä­ri­gen Hefen. Wer noch ein­mal behaup­tet, dass alle unter­gä­ri­gen Hefen mög­lichst neu­tral und weit­ge­hend gleich schmecken…

Sehr viel Expe­ri­men­tier­mög­lich­kei­ten gibt es auch bei der Kom­bi­na­ti­on meh­re­rer Hefen (etwa mit einer Unter­gä­ri­gen begin­nen und mit einer Ober­gä­ri­gen fer­tig­gä­ren) bis hin zur Visi­on eines „Stop­fens mit Hefe“: Las­sen sich durch nach­träg­li­chen Hefe­kon­takt oder auch durch Fla­schen­gä­rung mit unter­schied­li­chen Stäm­men gezielt Aro­men ver­än­dern? Hier tut sich eine rie­si­ge Spiel­wie­se auf, um die Ulrich uns Hob­by­brau­er rich­tig­ge­hend benei­det, und hier ste­hen wir erst ganz am Anfang.

Herr der Hefen

Der Meister und sein Haustier: Ulrich Peise mit einer seiner Hefen

Noch unbe­wie­sen sei zwar die posi­ti­ve Wir­kung, wenn in machen Braue­rei­en die Hefe jeden Mor­gen per­sön­lich begrüßt oder im Hefe­kel­ler Musik einer bestimm­ten Stil­rich­tung gespielt wer­de. Es zeu­ge aber von der Wert­schät­zung, die wir Brau­er unse­rem wich­tigs­ten Mit­ar­bei­ter fai­rer­wei­se ent­ge­gen­brin­gen müss­ten. Und die dann ganz unbe­wusst auch zu einer sorg­fäl­ti­ge­ren Arbeits­wei­se und bes­se­ren Ergeb­nis­sen führe.

Noch ein­mal ganz herz­li­chen Dank an Ulrich Pei­se für den uns Hob­by­brau­ern geop­fer­ten Sonn­tag und das extrem lehr­rei­che und inspi­rie­ren­de Gespräch. Ich bin mir sicher, dass gera­de bei der Hefe die span­nen­den The­men nicht so schnell aus­ge­hen werden.

2 Kommentare zu “Der idea­le Starter

  1. rakader

    Beim Ein­ar­bei­ten in die Mate­rie ist dies hier mein wich­tigs­ter Arti­kel. Doch wie bei allen Anlei­tun­gen für Hefest­ar­ter fehlt auch hier hier eine exak­te Beschrei­bung des wich­tigs­ten Uten­sils: Was genau für ein Magnet­rüh­rer wird benutzt? Z.B. was sin d das für abge­bil­de­te Gerä­te? Braucht es eine Heiz­plat­te für Sao­son­he­fen? Wel­che Gerä­te eige­nen sich dafür? Fra­gen über Fragen.

    Für Auf­klä­rung und ggf. bezug wäre ich dankbar

    Vie­le Grüße
    radulph

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