Gren­zen ausloten

Persönliche Geschmacks-Schwellenwerte testen und trainieren

Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Verkostung, nicht nur von Bier, ist das sichere Erkennen feinster Geschmacksnuancen. Alle Geschmäcker lassen sich dabei auf eine Kombination der Grundgeschmacksrichtungen sauer, süß, bitter, salzig und umami zurückführen. Nur für diese Geschmacksrichtungen besitzt die menschliche Zunge entsprechende Sensoren.

Fast jeder wird schon die Erfahrung gemacht haben, dass die Wahrnehmung dieser Geschmäcker bei verschiedenen Personen höchst unterschiedlich ist. Jeder Mensch hat für jede dieser Geschmacksrichtungen einen unteren Grenzwert, bei dem er gerade noch in der Lage ist, den Geschmack sicher zu erkennen. Die Lage dieses Grenzwerts ist zwar grundsätzlich durch die persönliche Disposition, das heißt die Empfindlichkeit der Geschmackssensoren, festgelegt, lässt sich aber durch äußere Einflüsse beeinflussen und sogar in gewissen Grenzen trainieren. Wir wollen im Rahmen dieses Artikels zeigen, wie man diese Grenzwerte feststellen und ihre Entwicklung verfolgen kann.

Die Empfindung der Grundgeschmacksrichtungen wird durch bestimmte Substanzen ausgelöst:

  • sauer: ausgelöst durch saure Lösungen und organische Säuren
  • süß: ausgelöst durch Zucker und Zuckerderivate sowie einige Aminosäuren, Peptide und Alkohole
  • bitter: ausgelöst durch eine Vielzahl verschiedener Bitterstoffe
  • salzig: ausgelöst durch Speisesalz sowie durch einige andere Mineralsalze
  • umami (Fleischgeschmack): ausgelöst durch die Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure

Bei der Ermittlung der Grenzwerte macht man sich zunutze, dass die Grundgeschmacksrichtungen mit einfachen Bezugssubstanzen dargestellt werden können:

  • sauer: Citronensäure oder Weinsäure
  • süß: Saccharose (Haushaltszucker)
  • bitter: Coffein oder Chininhydrochlorid
  • salzig: Natriumchlorid (Kochsalz)

Umami spielt bei der Bierverkostung keine Rolle und wird von den MEBAK-Methoden nicht erfasst.

Unterscheidungstest

Zunächst kann man mit einem Unterscheidungstest feststellen, ob die Geschmacksrichtungen generell erkannt werden können. Dazu stellt man Lösungen der Bezugssubstanzen in destilliertem Wasser (Temperatur 20 °C) mit folgenden Konzentrationen her:

  • sauer: 0,5 g/l Citronensäure
  • süß: 8 g/l Saccharose
  • bitter: 0,25 g/l Coffein
  • salzig; 1,5 g/l Natriumchlorid

Für jeden Tester werden insgesamt 10 Gläser bereitgestellt, die jeweils eine der Prüflösungen oder reines Wasser enthalten. Die mit Schlüsselnummern versehenen Gläser werden in zufälliger Reihenfolge verkostet. Der Tester notiert auf einem Formular für jedes Glas, welche Geschmacksrichtung er darin erkannt hat (süß, salzig, sauer, bitter oder neutral). Jeder Verkoster sollte die Geschmacksrichtungen in diesen Konzentrationen sicher erkennen können.

Unterschiedliche Konzentrationen erkennen

Bei diesem Test geht es darum, Proben der Bezugssubstanzen in verschiedener Konzentration zu unterscheiden. Dafür werden folgende Paare von Lösungen hergestellt:

  • sauer: Citronensäure 0,5 und 0,6 g/l
  • süß: Saccharose 8 und 10 g/l
  • bitter: Coffein 0,25 und 0,35 g/l
  • salzig: Natriumchlorid 1,5 und 1,8 g/l

Der Tester erhält diese Proben paarweise und muss in einem Protokoll festhalten, welche Probe intensiver schmeckt. Dabei sollte er in der Lage sein, alle Proben richtig zu benennen.

Geschmacks-Schwellenwerte finden

Um Geschmacksschwellen zu ermitteln, werden die Bezugssubstanzen in unterschiedlichen Konzentrationen verkostet. Dabei können folgende Schwellenwerte festgestellt werden:

  • Reizschwelle: Ab welcher Konzentration kann der Tester einen Unterschied gegenüber reinem Wasser erkennen, ohne die Geschmacksrichtung benennen zu müssen?
  • Erkennungsschwelle: Ab welcher Konzentration kann der Tester die Geschmacksrichtung erkennen?
  • Unterschiedsschwelle: Ab welchem Konzentrationsunterschied kann der Tester einen Geschmacksunterschied zwischen den Proben erkennen?

Wenn man als Verkoster arbeiten will, sollte man folgende Erkennungsschwellen nicht überschreiten:

  • sauer: 0,3 g/l Citronensäure
  • süß: 4 g/l Saccharose
  • bitter: 0,125 g/l Coffein
  • salzig: 0,9 g/l Natriumchlorid

Verkostung

Dreieckstest

Um die genannten Schwellenwerte zu ermitteln, werden Lösungen der Bezugssubstanzen in einer arithmetisch oder geometrisch auf- oder absteigenden Reihe von Konzentrationen verkostet. Praktisch könnte das mittels eines Dreieckstests geprüft werden. Es wird eine Reihe von Lösungen mit folgenden Konzentrationen vorbereitet:

  • ¼ * Geschmacksschwellenwert
  • ½ * Geschmacksschwellenwert
  • Geschmacksschwellenwert
  • 2 * Geschmacksschwellenwert
  • 4 * Geschmacksschwellenwert

Dem Tester werden Gruppen von drei mit Zufallszahlen beschrifteten Gläsern präsentiert, von denen zwei mit Wasser und eines mit der Prüflösung gefüllt ist. In jeder Gruppe hat die Prüflösung eine unterschiedliche Konzentration. Der Tester muss nun für jede Dreiergruppe feststellen, welche Probe die Prüflösung enthält oder ob kein Unterschied erkannt wird.

Mit diesem Dreieckstest kann man auch die Unterschiedsschwelle messen, indem man in den Dreiergruppen jeweils drei Prüflösungen platziert, von denen zwei identisch sind und die dritte eine abweichende Konzentration besitzt. Der Tester muss jeweils feststellen, welche Probe die abweichende ist.

Dreieckstest

Aufbau eines Dreieckstests

 

Im obigen Aufbau für einen Dreieckstest werden dem Tester fünf Gruppen von optisch identischen Gläsern präsentiert. Jedes Glas ist mit einer dreistelligen Zufallszahl beschriftet. Beim Geschmacksschwellentest enthalten jeweils zwei Gläser jeder Gruppe reines Wasser, das dritte die Prüflösung. Die Konzentration der Prüflösung ist aufsteigend, zum Beispiel ¼ * Geschmacksschwellenwert im Glas 249, ½ * Geschmacksschwellenwert im Glas 415, Geschmacksschwellenwert im Glas 784, 2 * Geschmacksschwellenwert im Glas 964, 4 * Geschmacksschwellenwert im Glas 291; in allen anderen Gläsern befindet sich Wasser.

Der Tester notiert für jede Gruppe die Nummer des Glases, das die Testlösung enthält, oder "kein Unterschied". Sein Geschmacksschwellenwert entspricht der Konzentration, ab der er alle Unterschiede richtig benennen kann.

Um die Entwicklung der Geschmacksschwellenwerte zu verfolgen, kann man die Konzentrationsstufen im interessanten Bereich um die persönlichen Schwellenwerte herum feiner auflösen. Führt man die Tests regelmäßig durch und notiert die Werte über die Zeit, lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie sich die eigene Empfindlichkeit für die Grundgeschmacksrichtungen verändert.

Aromen erkennen

Mit den genannten einfachen Bezugssubstanzen lässt sich nur die Erkennung der Grundgeschmacksrichtungen testen beziehungsweise trainieren, die mittels Geschmacksrezeptoren auf der Zunge erkannt werden. Komplexe Aromen werden dagegen immer im Zusammenspiel mit den retronasalen Rezeptoren im Rachenraum erkannt, quasi also eher gerochen als geschmeckt. Für diese Aromen stehen als Trainingswerkzeuge Zusammenstellungen von Aromen zur Verfügung, die zur Verkostung mit Bier gemischt werden. Sie werden zum Beispiel von den Firmen Siebel, Aroxa (Vetrieb: Doemens) und Flavoractiv angeboten. Der Artikel Vom "Uuuh" zum "Aaah" geht näher auf die Arbeit mit diesen Flavour-Kits ein.


Quellen:

  • Brautechnische Analysenmethoden, Band II, Selbstverlag der MEBAK, 3. Auflage 1993, Sensorische Prüfung, Seite 68ff
  • Martina Gastl, Werner Back, Christina Schönberger: Vielfältiges Instrument.
    Praktische Richtlinien für die sensorische Beurteilung von Bier. Artikel in der Zeitschrift "Brauindustrie" 11/2007,
    http://www.barthhaasgroup.com/johbarth/images/pdfs/2007_BI_Gastl_Sensorik.pdf
  • DIN EN ISO 8586:2014-05: Sensorische Analyse. Allgemeiner Leitfaden für die Auswahl, Schulung und Überprüfung ausgewählter Prüfer und Sensoriker
  • Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren nach § 64 LFGB
    Teil 5a, Sensorik, unter anderem:

    • L 00.90–9 2014-08 Sensorische Analyse – Methodologie; Bestimmung der Geschmacksempfindlichkeit (nach DIN ISO 3972)
    • L 00.90–10 1997-09 Schulung von Prüfpersonen für sensorische Prüfungen (nach DIN 10961)
  • Artikel "Gustatorische Wahrnehmung" in Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Gustatorische_Wahrnehmung

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