Viele kennen ihn als Teil von Biermarkenzeichen oder klassisch den Zoiglausschank anzeigend. Neben einer Variante eines Brauerzunftwappens mit Maischscheit, Schapf und Bottich nutzen (Hobby-)Brauer gern auch den Brauerstern als “Aushängeschild”. Jeder der schon einmal vor einem Brauerstern gestanden hat, hat sich wahrscheinlich auch gefragt, warum er dem Davidstern ähnlich ist.
Sowohl die Form des Brauersterns als auch die des Davidstern wird Hexagramm oder regelmäßiger Sechsstern genannt. Er besteht aus zwei übereinanderliegenden, gleich großen, gleichseitigen Dreiecken, deren Achsen um 60° versetzt sind. Er ziert nicht nur Dinge, die auf das Brauwesen oder das Judentum bezogen sind, sondern auch evangelische Kirchen (Friedenskirche Leipzig-Gohlis), Mandalas aus dem Tibet und Heiligenbilder (Jesus im Hexagramm). Auch im Hinduismus, im alten Ägypten und in der islamischen Kulturkreis ist der Sechsstern belegt. Er ist eben zunächst kein Zeichen einer bestimmten Gruppe (Zunft, Religion o.a.), sondern eine gebräuchliche Figur in der Ornamentik und ein Schutzzeichen. Als letzteres macht er denn auch Karriere in der frühen Neuzeit im süddeutschen Raum.
Wer mehr Belege sucht, ist in der Regel mit dem 10-bändigen Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens gut bedient. Doch das sonst über jedes noch so kleine Phänomen beredt informierende Werk schweigt sich über das Hexagramm aus. Hexagramm, Brauerstern, Sechsstern, Davidstern … Alle Stichworte verweisen nur auf andere. Lediglich im Artikel “Bier” wird lapidar festgestellt: “Der Davidstern als Wirtshauszeichen ist unaufgeklärt.”
Einiges an Aufklärung kann aber doch gegeben werden: Auf einem Gemeindesiegel aus dem 15. Jahrhundert in Nürnberg taucht der Stern erstmals in einem jüdischen Kontext auf, später auf der Fahne einer jüdischen Stadtwache in Prag. Mit dieser Verwendung im jüdischen Kulturkreis entstehen auch dezidiert jüdische Interpretationen etwa als der Schild Davids (מגן דוד), die z.B. die sechs Ecken als die sechs Schöpfungstage deuten.
Mit dem Zionismus, der nationalstaatlichen Bewegung und der Emanzipation der Juden wurde der Davidstern schließlich zu einem zentralen jüdischen Symbol, neben der schon seit der Antike bekannten Menora, dem siebenarmigen Leuchter. In dem später umgesetzten Entwurf Theodor Herzls von 1897 bekam der Stern seinen Platz auf der Nationalflagge des Staates Israel, obwohl die Nürnberger Rassengesetze den Judenstern zum Ausgrenzungssymbol machten. Nach Gershom Scholem erlebte der Davidstern erst unter den Nationalsozialisten seinen Durchbruch als jüdisches Symbol.
Zur selben Zeit, als das Hexagramm erstmals in einem jüdischen Gemeindesiegel verwendet wird, machten auch die süddeutschen Brauer das Hexagramm zu ihrem Schutzsymbol, deuten die sechs Spitzen alchemistisch als die Elemente Feuer, Luft und Wasser, die im Bier zusammenkommen.
Diese Nichtunterscheidbarkeit des Brauersterns vom Davidstern führte während des Nationalsozialismus u.a. auch dazu, daß auch Brauer ihre Brauersterne abänderten, damit sie nicht mit dem Davidstern verwechselt und Ziel von Angriffen und Opfer von Verfolgung würden. Nichtsdestotrotz hat sich der Brauerstern dennoch während der Nazizeit in Süddeutschland als Symbol der Brauer und Wirte halten können.
Im Gegenteil wurde versucht, das Hexagramm (wie auch das ebenfalls als Brauerstern verwendete Pentagramm, z.B. bei “Sterni” oder Hacker Pschorr) aus der Haggal-Rune zu erklären. Die Untersuchungen und ihre Ergebnisse waren jedoch ideologisch orientiert und halten der wissenschaftlichen Prüfung nicht stand.
Wir halten also fest, dass beide Sterne, obwohl geometrisch identisch vollkommen eigene Entwicklungen in ihrer Verwendung genommen hatten. Gab es nicht vielleicht doch Berührungspunkte? Auf den ersten Blick nicht. Im Gegenteil tritt uns in der jüdischen Kultur vornehmlich Wein als Getränk entgegen. In Preußen war es Juden (außer Adligen und Beamten) zeitweise verboten, Bier zu brauen. In Schlesien und Ostpreußen waren sie jedoch als Wirtshauspächter tätig und in Polen wurden Jude und Schankbetreiber zum Synomym. Andernorts waren Juden auch Brauer und im Hopfenanbau tätig.
In jedem Fall haben beide Verwendungen des Hexagramms in den süddeutschen und böhmisch-mährischen Regionen einen gemeinsamen geographischen Raum in dem ihre Entwicklung begann und in dem sie weite Verbreitung fanden.
Quellen:
Abbildungen:
- Titelbild: Zoiglstern in der Oberpfalz, © Jörg Krüger
- Abb. 1: Watchduck (a.k.a. Tilman Piesk), Friedenskirche Leipzig Gohlis – Hexagramm, CC BY 3.0
- Abb. 2: Flagge des Staates Israel, gemeinfrei
- Abb. 3: Isa Denison, Hagal 2–3dim, CC0 1.0