Die Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund – eine Art nationale Botschaft, die jedes Bundesland im Berliner Regierungsviertel betreibt und die ich ansonsten für pure Verschwendung halte – lud am 26. Mai zur Veranstaltung „Braukultur in MV: Innovation aus Tradition” ein.
Nun ist Mecklenburg-Vorpommern, obwohl Wismar zu Hansezeiten einer der größten Bierexporteure war, nicht gerade für seine Brautradition bekannt, aber mit der Störtebeker-Brauerei in Stralsund und neuerdings auch der Inselbrauerei in Rambin auf Rügen besitzt es zumindest zwei Brauereien, die sich mit innovativen Bieren einen guten Ruf erarbeitet haben. Sie entsandten ihre Geschäftsführer Jürgen Neuhaus und Markus Berberich zu einer von Sylvia Kopp, der bekannten Biersommelière und Betreiberin der Berlin Beer Academy, moderierten Gesprächsrunde, an der neben Landwirtschaftsminister Till Backhaus und Brauerbund-Präsident Hans-Georg Eils auch Willi Horn von der Brauerei Lübz, Andreas Hüttmann vom Vielanker Brauhaus und Henry Gidom, Historiker und Nanobrauer aus Warnemünde, teilnahmen. Dazu später mehr.
Das Event fing launig an, denn schon vor dem Haus wurde man von der Jazzband Sharks Moove begrüßt. Auch die zweite Kapelle des Abends, das Glas-Blas-Sing-Quintett, war ein echter Treffer. Sie musizierten auf Flaschen, Wasserspendern und Bierkisten und lockerten die Veranstaltung zwischen den teils ermüdenden Reden auf.
Besonders nötig war dies nach den Grußworten von Hausherrin Pirko Kristin Zinnow, der ihr Redenschreiber wirklich jede denkbare Plattitüde über das Reinheitsgebot in die Ansprache geschrieben hatte. Denn das war natürlich der rote Faden des Abends, den auch alle anderen Redner aufnahmen, wenn auch in etwas differenzierterer Form.
Brauerbund-Chef Eils sprach weniger von den in den letzten Wochen vielzitierten Reinheitsmythen als vielmehr von der Bedeutung des Reinheitsgebots für Marketing und Selbstdarstellung der deutschen Brauwirtschaft im In- und Ausland, und Landwirtschaftsminister Backhaus betonte vielmals die Wirkung der Brauereien als Erlebnisorte für den Tourismus.
Um die „Hauptperson” des Abends, das Bier, ging es erst, als Sylvia Kopp drei Biere der anwesenden Brauereien verkostete. Merkwürdigerweise durfte sie die Biermarken auf der Bühne nicht nennen, aber man konnte auch ohne Kostprobe, die den Gästen in der ersten Reihe vorbehalten war, leicht erraten, dass es sich um die Meerjungfrau, ein fantastisches Sauerbier der Inselbrauerei, das Störtebeker Atlantik-Ale und ein Stout der Barther Brauerei handelte.
In der abschließenden Diskussion ging es vor allem … natürlich um das Reinheitsgebot. Brav beteuerten die Brauer ihre Treue zum folkloristischen Mummenschanz. Nur Henry Gidom schloss nicht aus, in Zukunft auch einmal mit anderen Zutaten zu experimentieren, und Markus Berberich fuhr als einziger Profibrauer in die RHG-Parade, als er meinte, dass doch nach dem Reinheitsgebot brauen solle, wer das wolle, und sich bei der Landesregierung dafür bedankte, dass sie so großzügig Ausnahmegenehmigungen für seine Spezialbiere erteilt – wohl dem, der es nicht mit bayerischen Behörden zu tun hat.
Im gemütlichen Teil des Abends hatte man dann Gelegenheit, die Biere der anwesenden Brauereien zu verkosten. Allerdings hatten alle lediglich ihr Standardangebot dabei; weder konnte man bei Störtebeker Stefans Imperial Stout verkosten (was ja der wirkliche Grund meines Besuchs war), noch hatte das Vielanker Brauhaus sein diesjähriges Saisonbier, ein Stout, dabei – schade.
Positiv stach die Inselbrauerei hervor, die inzwischen ein wirklich ansehnliches Sortiment an meist sehr speziellen Bieren hat, bei denen ich noch keine gravierenden Schwächen ausmachen konnte. Die Barther Brauerei dagegen schenkte Bier mit den typischen Problemen kleiner Gasthausbrauereien aus.
Einen besonders schwachen Auftritt hatte die Lübzer Brauerei. Das Lübzer Pils, das zu DDR-Zeiten einen recht guten Ruf hatte, wird seit 1991 unter Holsten-Ägide gebraut. 2004 kam die Lübzer Brauerei mit Holsten zum Carlsberg-Konzern. Die Konzernmutter scheint aber kaum Innovationen zuzulassen, und so war das Lübzer Pils an diesem Stand das einzige Bier am Hahn – neben Biermischgetränken in jeglicher Geschmacksrichtung.
Peinlicherweise stand im Lübzer Kühlschrank sogar noch Staropramen, denn schließlich, so erkärte mir der Zapfer etwas verschämt, gehöre die Prager Brauerei ja auch zum Carlsberg-Konzern. So verstehen die Multis also Vielfalt.
Am späteren Abend hatte ich dann noch Gelegenheit, mit Christoph Puttnies, Braumeister bei Störtebeker, zu sprechen. Er ließ wissen, dass die Brauerei in diesem Jahr einen ihrer Verkostungsabende unter das Motto „Hobbybrauer” stellen und Biere von Heimbrauern vorstellen wird. Und wenn es nach ihm geht, wird das Hobbybrauer-Festival, das im August 2015 viele Heimbrauer aus Nord- und Mitteldeutschland anzog, spätestens im nächsten Jahr wiederholt. Ich bin gespannt, welche Steigerung bei der Wettbewerbsaufgabe sich die Brauerei dann ausdenkt – viel Platz nach oben lässt das letztjährige Imperial Stout ja nicht mehr.
Alle Fotos: Autor