Brauf­reun­de in der Hefe­bank Weihenstephan

Zu Beginn dieses heißen Sommers stand ein ganz besonderes Ereignis an: Ulrich Peise, Chef der Hefebank Weihenstephan , hatte eine Abordnung der Braufreunde Berlin in seine heiligen Hallen eingeladen. So machten wir uns am 13. Juli zu viert auf den Weg nach Au in der Hallertau, wo die Hefebank residiert.

Auf der Hinreise gab es bei einem kurzen Zwischenstopp zum Mittagessen bei der Brauerei Meinel in Hof schon einen Vorgeschmack auf die bayerische Biervielfalt, gebremst nur dadurch, dass zwei von uns sich ja zum Fahren des Mietwagens bereiterklärt hatten. Also blieb es bei einem Bier, und auch der Beer-Star-prämierte Doppelbock blieb außen vor.

Der Abend klang bei Grill und Bier aus, unter anderem gab es das hervorragende Hopfull der Auer Schlossbrauerei, einem gestopften Ale mit 60 IBU und sattem Aroma des Stopfhopfens Saphir.

Am nächsten Morgen trafen wir uns zunächst zu einer kurzen Ausfahrt in die Hopfenfelder der Umgebung. Beeindruckende Mengen an Hopfenpflanzen auf riesigen Flächen in der näheren und weiteren Umgebung von Au sorgen dafür, dass rund ein Drittel des weltweiten Hopfenbedarfs aus der Hallertau beliefert wird.

Die Hefebank Weihenstephan

Dann ging es an das eigentliche Thema des Besuchs. Zunächst gab es einen kurzen Ausflug in die Historie der Hefebank, die in den 1940er Jahren durch Professor Franz Weinfurtner gegründet, vom jeweiligen Professor der Weihenstephaner Brauwesen-Fakultät weiterbetrieben und vor einigen Jahren von Professor Fritz Briem übernommen wurde.

Weinfurtner und die nachfolgenden Professoren des heute zur TU München gehörenden Campus Weihenstephan (unter anderem Ludwig Narziß) unterstützten jeweils die Hefebank und sammelten über viele Jahrzehnte Hefen aus Brauereien rund um den Globus. Heute existiert ein beeindruckender Fundus an Hefe­raritäten, der nach und nach Brauereien und Hobbybrauern verfügbar gemacht wird.

Aufgabe der Hefebank war und ist es, stiltypische Hefen zu sichern und so aufzubewahren, dass die ursprünglichen Stämme nicht weiter mutieren können. Viele Brauereien lagern ihre Betriebshefen hier ein, so dass sie jederzeit - auch nach Jahrzehnten Lagerung - wieder in ihrem ursprünglichen Zustand zur Verfügung gestellt werden können.

Die Langzeitlagerung erfolgt gefriergetrocknet bei -76°C. Nur etwa drei mal innerhalb von 25 Jahren müssen die langzeitgelagerten Hefen frisch geführt werden. Das minimiert das Risiko von Mutationen. Trotzdem kann bei Bedarf jede Hefe innerhalb weniger Tage über Starter wieder in einsatzfähigen Mengen hergeführt werden.

Hefe-ArbeitsplätzeArbeiten an den Hefen werden an speziellen, mit gefilterter Luft gefluteten Arbeitsplätzen durchgeführt. Als Nachweis der absolut sauberen Arbeitsweise stehen dort offene Nährböden, die nach jeder Schicht einige Tage bebrütet werden. Nur, wenn sich darauf keine Fremdkeime zeigen, wird das Arbeitsergebnis der Schicht freigegeben.

Vom Profi lernen

Wir bekamen viele Hinweise zur erfolgreichen Führung der Hefe bei der Gärung. Viele davon konntet ihr schon in Moritz' Artikel über seinen Besuch bei der Hefebank im Frühjahr 2015 nachlesen.

Das 60%-Problem

Besonderes Augenmerk legte Ulrich auf ein Problem, das (nicht nur) viele Hobbybrauer haben: nachdem etwa 2/3 des Extrakts vergoren ist, stockt die Gärung plötzlich, insbesondere dann, wenn die Gärung davor sehr stürmisch verlief. Das liegt daran, dass die Hefe ihre Ernährung zu diesem Zeitpunkt umstellen muss. Zuvor hat sie den Großteil der leicht vergärbaren Zuckerarten abgebaut. Jetzt müssen längerkettige Zucker, organische Säuren und einige Gärnebenprodukte abgebaut werden, um die weitere Nahrungsversorgung zu sichern.

Die Umstellung kann einige Zeit dauern. Wenn zuvor kräftig gekühlt wurde, um die bei der stürmischen Gärung entstehenden Wärme abzuführen, kann es in dem Moment, in dem dieser Wärmestrom wegen der Umstellung der Hefe ausbleibt, zu einem Temperatursturz kommen, nach dem die Hefe ihre Arbeit dann möglicherweise zunächst komplett einstellt.

Als Gegenmaßnahme rät Ulrich, ab einem Vergärungsgrad von etwa 48% bei obergärigen Hefen bzw. 52% bei untergärigen die Gärtemperatur vorsorglich leicht zu erhöhen. Für den Hobbybrauer kann auch eine Isolierung des Gärbottichs bis auf etwa 2/3 Produkthöhe helfen; dadurch wird der Temperatursturz bei sich abschwächender Gärung abgemildert.

Hefe unterm Mikroskop

MikroskopieDer letzte Teil des Programms war der Mikroskopie gewidmet. Vielen Hobbybrauern geht es sicher wie mir: das Interesse an der Hefe-Mikroskopie ist groß, aber der Einstieg ebenso schwer. Das fängt schon bei der Wahl des richtigen Mikroskops an.

Die Vergrößerung des Mikroskops, die von Herstellern und Händlern immer als quasi einzig entscheidende Eigenschaft hervorgehoben wird, ist nicht so bedeutend. Hefen sind mit etwa 10μm so groß, dass sie schon mit einer 100- bis 400-fachen Vergrößerung bequem untersucht werden können. Der Vergrößerungsfaktor 400 hat sich bei der Hefemikroskopie als quasi-Standard durchgesetzt.

Viel wichtiger ist die Beleuchtung. Durchlicht- oder Auflicht-Mikroskope sind für die Arbeit mit Hefen, die fast durchsichtig sind und nur wenig Kontraste erzeugen, nicht geeignet. Zweckmäßiger ist die Dunkelfeldmikroskopie , die auf einem dunklen Hintergrund für kontrastreiche Abbildungen durchsichtiger Objekte sorgt. Das wird dadurch erreicht, dass die Beleuchtung nicht direkt, sondern nur über das im Präparat abgelenkte Licht in das Objektiv gelangt. Ebenso eignet sich die Phasenkontrastmikroskopie , die sich die Phasenverschiebung des Lichts bei der Brechung am Präparat zur Verstärkung der Kontraste zunutze macht.

Wichtig ist ebenso die Vorbereitung des Präparats. Eine Hefesuspension muss sehr dünn auf dem Objektträger ausgestrichen werden, damit einzelne Zellen überhaupt sichtbar werden und nicht im Gewirr dreidimensional hintereinander liegender Objekte untergehen.

Saccharomyces Cerevisiae unter dem Phasenkontrastmikroskop, Vergrößerung 100x

Grundvoraussetzung jeglicher Arbeit mit Hefen ist penible Sauberkeit und professionelle Arbeitsweisen beim Hantieren mit den Untersuchungsobjekten. Eine wechselseitige Kontamination von Proben muss unter allen Umständen vermieden werden. Eine Gasflamme zum Ausglühen der Impfösen und Alkohol zum Desinfizieren von Oberflächen sind selbstverständlich.

So war Ulrichs Begeisterung über eines unserer mitgebrachten Untersuchungsobjekte denn auch etwas verhalten. Es handelte sich um eine Probe aus einem Sauerbier, dass mit Milch- und Essigsäurebakterien und diversen anderen Mikroorganismen "verseucht" war. Ein gutes Studienobjekt zwar, um verschieden geformte Bakterien unterscheiden zu lernen, aber auch eine potentielle Gefahr für die Laborumgebung.

Lactobacillus acidophilus

Lactobacillus acidophilus; der Abstand der numerierten Teilstriche entspricht 11μm

Die Unterscheidung von Hefezellen und Bakterien ist sehr einfach anhand ihrer Größe möglich: sie unterscheidet sich um den Faktor 10. Während Hefen typischerweise etwa 10 Mikrometer groß sind, erreichen die für uns interessanten Bakterien, also beispielsweise Milch- oder Essigsäurebakterien, nur etwa 1μm.

Leider gaben sich die Untersuchungsobjekte sehr fotoscheu, sprich: ohne spezielle Optiken war das Fotografieren unserer Proben unter dem Mikroskop kaum möglich. Daher können wir hier keine eigenen Fotos anbieten, sondern nur zwei typische Bilder aus Wikipedia. Die Lactobacillus sind übrigens angefärbt (Gram-Färbung).

Hefe auch für Hobbybrauer

Die Hefebank Weihenstephan bietet inzwischen schon 129 verschiedene Hefen aus ihrer Sammlung über ihre Internet-Seite  an. Darunter sind einige Raritäten, die sonst nur schwer zu beschaffen sind, zum Beispiel die Leichtbierhefe WSL-17 (Saccharomycodes ludwigii, siehe auch "Brauen mit Ludwigs Leichtbierhefe"), die W120, die sich besonders für ein malziges Altbayrisches Dunkel eignet oder die W193, eine Lagerhefe, die dem VLB-Pendant RH10 entspricht. Ist man sich nicht sicher, welcher Stamm sich für ein bestimmtes Brauprojekt eignet, kann man die Hefebank auch besuchen oder anrufen und wird - oft von Ulrich persönlich  - ausführlich beraten.

LagerkühlschrankIm Moment sind nur die W68 (Weihenstephan Weißbierhefe) und die bekannte Lagerhefe W34/70 ständig als Starter verfügbar und normalerweise sofort einzeln lieferbar. Alle anderen Hefen werden auf Anforderung vermehrt und verschickt. Die Mindestbestellmenge beträgt dann allerdings meist 10 Starter, so dass sich nur Sammelbestellungen lohnen. Jens (DerDerDasBierBraut) führt solche Bestellungen im Hobbybrauer-Forum  ab und zu durch , aber für lokale Braugruppen oder anlässlich von Hobbybrauertreffen würde sich das ebenfalls anbieten.

Da auch die Kosten von 9€ pro Starter mit denen von Hefen vergleichbar sind, die erst in amerikanische Hefebanken exportiert wurden und jetzt über einen belgischen Großhändler wieder nach Europa zurück importiert werden müssen, frage ich mich, warum man die Möglichkeiten, die die Hefebank Weihenstephan bietet, nicht viel öfter in Anspruch nimmt.

Ausklang

Hundertwasserturm Kuchlbauer

Hundertwasserturm der Brauerei Kuchlbauer

Den Abend verbrachten wir mit Ulrich und dem spontan dazugekommenen Biasiada Stefan (siehe auch seinen Artikel "Hefestopfen") im wunderschönen Biergarten der Auer Schlossbrauerei. Herrliche alte Kastanien überdachen die Biertische und bieten selbst in der Nachmittagshitze lauschige Plätze, an denen man sich ausführlich durch das erstaunlich große Sortiment der Brauerei kosten kann. Wir waren draußen allerdings lange Zeit fast allein, weil im Gastraum, der in das weitgehend erhaltene historische Sudhaus eingebaut ist, die Fußball-WM-Übertragung lief.

Auf der Heimfahrt gab es noch Stopps in Abensberg beim Hundertwasserturm der Brauerei Kuchelbauer und in der ältesten Brauerei der Welt am Donauufer, in Weltenburg. Am Sonntag Abend ging der hochinteressante Ausflug in die Welt der Hefe dann zu Ende.

Vielen Dank an Ulrich für die Einladung und die Zeit, die er nicht nur uns, sondern auch vielen anderen Hobbybrauern widmet!


Quellen:

Hefebank Weihenstephan: Homepage hefebank-weihenstephan.de, Zugriffsdatum 13.9.2018
Wikipedia: Dunkelfeldmikroskopie de.wikipedia.org/wiki/Dunkelfeldmikroskopie, Zugriffsdatum 13.9.2018
Wikipedia: Phasenkontrastmikroskopie de.wikipedia.org/wiki/Phasenkontrastmikroskopie, Zugriffsdatum 13.9.2018
Produkte der Hefebank Weihenstephan hefebank-weihenstephan.de/produkte/, Zugriffsdatum 13.9.2018
, Jens: SB (geschlossen): Hefebank Weihenstephan (W-378, W-100, W-69, W-164, WSL-17) 7.8.2018 hobbybrauer.de/forum/viewtopic.php?f=63&t=18462&p=288255, Zugriffsdatum 13.9.2018

 

Abbildungen:

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