Ein historisches Brauexperiment beim
M-V Hobbybrauertreffen 2021
Wer Biere aus historischen Quellen rekonstruieren will, stößt immer wieder und sehr schnell auf das Problem, dass die Quellen nur lückenhafte oder sehr ungefähre Angaben zu Zutaten und Brauprozess liefern . Gleichwohl haben wir es beim M-V Hobbybrauertreffen im September 2021 mal wieder gewagt und uns das Zauchische Landbier aus Christian Friedrich Germershausen, Die Hausmutter in allen ihren Geschäften, 3. Band, Leipzig 1779 vorgenommen. Wer sich fragt, wo die Zauche liegt, es handelt sich um eine Gegend südwestlich von Berlin und Potsdam .
Aber zunächst zur Quelle (hier aus der 4. Auflage, bearbeitet von Fr.C.G. Gericke, Hannover 1809 ):
Etwas gestrafft und an heutiges Deutsch angepasst heißt es bei Germershausen:
„Zauchisches Landbier bereitet der Landmann also: Es wird geschrotetes Malz mit etwas untergemengtem schwarzen Roggenmehle und Kleyen, welche vom Roggen oder Weizen sein können, mittelst zugegossenen kalten Wassers zusammengeknetet und daraus kleine Brote, die etwa drei bis vier Pfund schwer sind, geformt und im Backofen gebacken.
…
Diese Brote dürfen gar nicht aufgehen, …, und müssen gleich, sobald sie geformt sind, in den Backofen geschoben werden. Das Einschieben der Brote in den Ofen geschieht erst, nachdem das gewöhnliche Speisebrot gar gebacken und ausgezogen ist. Da aber das von diesen Malzbroten bereitete Getränk teils besser schmeckt und teils eine mehr dunkle Farbe annimmt, wenn die Rinde derselben in dem Ofen schwarz oder angebrannt wird, so wird die Stelle, wo die Kohlen während des Brotbackens gelegen haben, abgeräumt, um … doch einige Malzbrote mit einer schwarzen Rinde zu erhalten.Sind unterdessen im Hause die Braugefäße in Ordnung gebracht, …, so werden diese mit kaltem Wasser gefüllt, die Malzbrote aus dem Ofen geholt und, ohne sie kalt und verschlagen werden zu lassen, klein gebröckelt und in die Braugefäße geschüttet. …
Einige tun den rohen ungekochten Hopfen zugleich mit ins Wasser, was aber einen weniger guten Geschmack gibt, als wenn der Hopfen, nachdem er klein gerieben, unter die Malzbrote bei ihrem Zusammenkneten gemengt und mitgebacken wird.
Wenn nun das Wasser, welches von den heißen Broten erwärmt worden, einige Stunden verdeckt gestanden hat, so wird es als eine Würze abgezapft, in einen Zuber getan und mit Hefe angestellt, nach vollendeter Gärung in Fässer gelassen, in welchen es leicht klar wird und bald getrunken werden kann.“
Beim ersten Lesen fühlt man sich an Beschreibungen der Herstellung von Keptinis aus dem Baltikum erinnert. Aber bei genauerer Betrachtung gibt es einen wesentlichen Unterschied. Bei Keptinis wird laut Garshol das Malz typischerweise heiß eingemaischt und bei etwa 65°C etwa eine Stunde gerastet. Erst dann wird das Malz im Ofen meist bei anfänglich sehr hohen Temperaturen bis 400°C gebacken .
Beim Zauchischen Landbier soll jedoch kalt eingemaischt und sofort gebacken werden. Dann kann die Verzuckerung der Stärke eigentlich nur in den Malzbroten während des Backens stattfinden, denn bei Erreichen einer Temperatur über 80°C in den Broten, sollten die erforderlichen Enzyme sehr schnell denaturieren. Das dürfte eine relativ niedrige Backtemperatur erfordern, bei der die für die Arbeit der Enzyme geeigneten Temperaturen zwischen 60 und 80°C langsam durch die Brote wandern und dabei die Stärke verzuckern.
Dafür scheint auch der Hinweis von Germershausen zu sprechen, dass die Malzbrote erst nach den Speisebroten gebacken wurden und es zudem schon die heißesten Stellen im Ofen erforderte, um die Kruste überhaupt schwarz werden zu lassen. Aber kann ein solches Vorgehen tatsächlich eine am Ende jodneutrale Würze und ein trinkbares Bier ergeben? Und welche Temperatur des Backofens ist dafür eigentlich niedrig oder hoch genug?
Dieser Frage wollten wir nachgehen und uns nicht noch weitere Baustellen einhandeln. Daher haben wir auf den in den Broten gebackenen Hopfen verzichtet, und diesen stattdessen dem Wasser zugegeben. Der Plan sah dann so aus:
- 10 kg Pale Malt, 2 kg Roggenmehl und 2 kg Weizenkleie mit 15-20 l handwarmen Wasser zu einem Teig kneten und daraus Brote formen
- Brote in dem holzbefeuerten Außenbackofen bei etwa 100°C so lange backen, bis eine Temperatur von 80°C in allen Teilen der Brote erreicht ist
- parallel dazu 50 l Wasser mit 375 g frisch geerntetem Grünhopfen (Huell Melon) 60 min kochen
- Brote nach dem Backen in den Läuterbottich kleinbröckeln und mit einem Teil des Hopfenwasser und erforderlichenfalls kaltem Wasser so vermischen, dass sich eine Temperatur von etwa 80°C ergibt
- nach 2 Stunden abläutern und bei Bedarf restliches Hopfenwasser als Nachguss geben
- Gärung anstellen mit frischer Ebbegarden Kveik (weil die gerade zur Hand war) und bei 29°C vergären
Und im Prinzip hat das so auch gut funktioniert. Aus dem Teig ließen sich problemlos 6 große Brote formen. Da der Backofen zu diesem Zeitpunkt noch nicht heißer war, kamen die Brote bei 80°C in den von unten mit Holz befeuerten Backofen.
Nach zwei Stunden hatten die Brote am Boden eine Temperatur von 85°C, im Kern von 70°C und oben von 55°C. Nach etwa 3,5 Stunden war auch oben eine Temperatur von 85°C erreicht und die Brote wurden aus dem Ofen geholt. Lediglich die Unterseiten waren bei einigen Broten sichtbar gebräunt.
Nach dem Kleinbröckeln und Vermischen mit dem Hopfenwasser bestätigte die erste Jodprobe alle Skeptiker. So ein Brauverfahren kann nicht funktionieren. Die Jodprobe war tiefschwarz und unser Sud also nicht jodneutral. Es hatte auch kaum jemand Hoffnung, dass sich dies in den folgenden zwei Stunden ändern könnte, da die Enzyme nach 85°C über längere Zeit beim Backen denaturiert sein mussten.
Aber … Trommelwirbel … irgendetwas hat da noch weiter Stärke verzuckert. Vor dem Läutern war die Maische jodneutral und auch die Probe im fertigen Bier hat dies nochmal bestätigt. Nach dem Läutern ergab sich eine Stammwürze von 11,4°P. Diese wurde innerhalb von 3 Tagen auf einen Restextrakt von 2 %gew heruntervergoren. Insgesamt ergab sich nach dem Abfüllen eine Biermenge von 27 l bei immerhin 14 kg Schüttung. Es lässt sich also sagen, dass die Methode nicht besonders effektiv ist.
Aber es ist tatsächlich Bier geworden. Nach wenigen Wochen nahezu glasklar und bernsteinfarben. Die Ebbegarden Kveik hatte das ihre dazu getan und im Verbund mit dem Huell Melon Grünhopfen ein anfangs deutliches aber sich langsam abschwächendes Erdbeeraroma beigetragen. Daneben imponieren in Geruch und Geschmack weiche getreidige Noten und eine angenehme Restsüße. Und obwohl die Würze nicht gekocht wurde, gibt es auch nach 3 Monaten keine Anzeichen dafür, dass das Bier sauer werden könnte.
Der Autor ist Richter am Sozialgericht und seit 2012 begeisterter Hobbybrauer.
Quellen: