Am 7. Oktober fand nun schon zum 13. Mal die Verkostung zum European Beer Star in der Doemens-Akademie in Gräfelfing statt. Sowohl hinsichtlich der Anzahl eingereichter Biere als auch der bewerteten Sorten und der teilnehmenden Juroren wurden abermals Rekordmarken gesetzt – ein Beleg für das ungebrochen steigende Interesse an vielfältigen Bieren.
Gräfelfing ist ein ansonsten eher beschaulicher Villenvorort im Speckgürtel Münchens. Im alten Ortskern, direkt an der Würm, liegt etwas versteckt die Doemens-Akademie, die in der Brauerszene als Meisterschule, Beratungsinstitut und Geburtsort der Biersommelier-Ausbildung bekannt ist. Nur eine Woche nach dem Ende des Münchner Oktoberfests, bei dem es eher auf Masse als auf Sortenvielfalt ankommt, ist Gräfelfing der unbestrittene Nabel der Bierwelt.
Hier ist der Austragungsort der Verkostung zu einem der härtesten und prestigeträchtigsten Bierwettbewerbe weltweit, dem European Beer Star, der vom Verband Private Brauereien ausgerichtet wird.
Wer darf teilnehmen?
Es handelt sich um einen offenen Wettbewerb, an dem gewerblich betriebene Brauereien aus der ganzen Welt mit ihren kommerziell vermarkteten Bieren teilnehmen können. Obwohl die Teilnahmegebühr mit gut 200 Euro überschaubar ist, können daher Gypsy-Brewer ohne eigene Brauerei ebenso wenig teilnehmen wie Hobbybrauer. Aber auch so konnten sich die Veranstalter nicht über mangelndes Interesse beklagen, ganz im Gegenteil: 2.103 verschiedene Biere in 57 Kategorien sind eine erneute Steigerung um sieben Prozent gegenüber dem erfolgreichen Vorjahr.
Der Fokus liegt auf traditionellen europäischen Bierstilen, von klassischen Sorten wie German Style Pilsener bis hin zu Exoten wie holzfassgereiftem Starkbier, Belgian Style Fruit Sour Ale, Imperial India Pale Ale und Baltic Style Porter, um willkürlich ein paar wenige zu nennen. In jeder Kategorie wird nur jeweils einmal Gold, Silber und Bronze vergeben, unabhängig von der Zahl der Einreichungen. Verglichen mit den 271 Bieren des ersten Jahres 2004 wird der Wettbewerb also immer härter …
Logistischer Kraftakt
Die Doemens-Akademie, die im Wesentlichen aus einer gründerzeitlichen Villa und einem angebauten Hörsaaltrakt besteht, platzt während des Wettbewerbs regelrecht aus allen Nähten. Schon Wochen vorher werden die ersten Biere angeliefert und auf dem Hof in fünf Kühlcontainern gelagert. Mit über 20.000 Flaschen entsteht temporär wohl eines der abwechslungsreichsten Bierlager Deutschlands.
Die Liste der 124 verkostenden Judges liest sich wie das Who’s‑who der Braumeister‑, Biersommelier- und Fachjournalistenszene. Die 15 Verkostungsteams mit jeweils acht bis zehn Juroren belegen während des Wettbewerbs sämtliche verfügbaren Hörsäle und aus Platzgründen sogar das Sudhaus, sodass der reguläre Vorlesungsbetrieb ruhen muss. Das ist auch gut so, sind doch alle verfügbaren Schüler ohnehin zum Sortieren, Einschenken und Servieren der Biere eingesetzt.
In diesen Räumlichkeiten ist eine weitere Steigerung der Teilnehmerzahl nicht mehr vorstellbar. Da Doemens aber ohnehin ein paar Straßen weiter einen Neubau plant, kann man getrost in die Zukunft blicken.
Besuch am Jurorentisch
Jede Kategorie wird von solch einem Jurorenteam blind bewertet. Kriterien sind unter anderem die Optik, der Schaum, der Geruch, natürlich der Geschmack, Rezenz und Einbindung der Bittere sowie die sortentypische Ausprägung. Ein Bier, das nicht exakt seiner Kategorie entspricht, hat daher keine Chance, wie gut es auch sein mag. Nur wenn in einer Kategorie mehr Biere gemeldet sind, als von einem Verkostungsteam parallel bewältigt werden können, wird die Kategorie in eine Vor- und Hauptrunde gesplittet. Nachdem die Juroren am Tisch alle der ihnen anonymisiert vorgesetzten Proben bewertet und bepunktet haben, werden die Bewertungen diskutiert und die Gold‑, Silber- und Bronze-Gewinner dieser Kategorie im Konsens bestimmt. Notfalls wird so lange diskutiert (da die Juroren aus 30 Ländern kommen, ist die Wettbewerbssprache Englisch), bis eine einhellige Meinung gefunden ist.
Oliver Dawid, Geschäftsführer der Privaten Brauereien Bayern, rechnete vor, dass trotz der unglaublichen Vielzahl der verkosteten Biere jeder Juror im Lauf des Tages auf nur wenig mehr als eine Maß Bier komme. Es bestehe also keine Gefahr, anschließend herauszutorkeln. Michael Zepf, Geschäftsführer der Doemens-Genussakademie, schmunzelte aber, dass es schon anspruchsvoll sei, wenn man gleich morgens mit Sorten wie Rauch-Starkbier (Kategorie 48) oder Holzfassgereiftem Sauerbier (Kategorie 21) konfrontiert werde.
Bierprobe mit dem Weltmeister
Um den geladenen Journalisten einen kleinen Einblick in die Vielfalt der Biersorten und in fachgerechtes Verkosten zu geben, fand eigens eine Bierprobe samt Brotzeit mit dem ersten Biersommelier-Weltmeister und langjährigen Juror Karl Schiffner statt. Es war eine Freude, den österreichischen Sommelier und Gastwirt, der sich ganz dem Beer-Food-Pairing verschrieben hat, begeistert über die unterschiedlichen Stile, Sinneseindrücke und Aromen reden zu hören. Um die ganze Varianz der Bierwelt zu demonstrieren, gab es nach einem zum Aufwärmen gereichten Sauerbier ein Export, ein Weißbier, ein Dubbel, ein Imperial IPA und ein Whiskymalz-Rauchbier.
Siegerehrung auf der BrauBeviale
Die Gewinner der einzelnen Kategorien werden am 9. November auf der Fachmesse BrauBeviale in Nürnberg bekanntgegeben. Obwohl die Gewinner vorher informiert werden, damit sie bei der Siegerehrung anwesend sein können, müssen sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen, nichts vorher bekanntzugeben. Man darf also gespannt sein!
Autor Moritz Gretzschel kam, obwohl gebürtiger Münchner, erst durch seinen Schwiegervater ausgerechnet in einer badischen Weinregion mit dem Hobbybrauen in Berührung. Ein dreijähriger beruflicher Aufenthalt in Michigan tat das Übrige, ihn für die Craft-Brew-Bewegung zu begeistern. Seither braut er regelmäßig daheim, bevorzugt per Dekoktion. Er arbeitet als Hochschulprofessor für Maschinenbau und Elektromobilität in Aalen in Württemberg.
Bildnachweis:
- Grafik Anmeldezahlen und Logo: European Beer Star
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