Beer does not make itself properly by itself. It takes an element of mystery and of things that no one can understand.
Fritz Maytag
Biotransformation ist nicht zu Letzt durch den Bierstil New England IPA zu einem der Buzzwörter unter Craftbrauern geworden. Dabei, wenn man es genau nimmt, laufen uns beim Brauen ständig biotransformatorische Prozesse über den Weg, sagt doch der Begriff, der aus der Pharmakologie und Toxikologie ausgeliehen ist, nichts anders aus als die chemische Modifikation eines Stoffes durch einen Organismus. Der gesamte Stoffwechsel der Hefe ist von solchen Vorgängen bestimmt. Im engeren Sinnen, meint der Brauer damit aber die Wechselwirkung der Hefe mit bestimmten Hopfeninhaltsstoffen, die durch eine enzymkatalysierte Hydrolyse zu neuen, hoch aromatischen Verbindungen führt.
Stand der Forschung
Auch wenn es den Eindruck macht, dass es sich beim Thema Biotransformation von Hopfeninhaltsstoffen durch die Hefe um den „neuesten Scheiß“ der Craftbrauer handelt, ist das Thema bereits seit ungefähr 40 Jahren Gegenstand der Forschung.
In den 1980ern wurde das erste mal von Forschern eine Umwandlung des Hopfeninhaltsstoffes Geraniol zu ß‑Citronellol beobachtet [1]. Um die Jahrtausendwende beschäftigten sich dann Forscher intensiver mit dem Thema, um die Zusammenhänge zu verstehen, wie zum Beispiel Andrew King und Richard Dickson im Jahre 2002.
Sie konnten in Laborversuchen nachweisen, dass sowohl untergärige, als auch obergärige Hefe in der Lage ist, Hopfen Monoterpenalkohole zu verändern [2]. Wohl einer der bekanntesten Vertreter dieser Gruppe ist das Linalool, das als Hauptindikatorsubstanz für die Hopfennote im Bier gilt. Interessant ist Linalool nicht zuletzt durch seinen sehr geringen Geschmacksschwellenwert von lediglich 1–2 ppb (parts per billion) [3].
Hat sich die Forschung am Anfang vor allem dafür interessiert, wie das typische Hopfenaroma stabilisiert werden kann, kam später die Frage auf, wie sich dieses Phänomen gezielt für hopfenaromatische, gestopfte Biere einsetzen lässt. Dazu kam, dass viele Craftbiere immer stärker gestopft wurden, und einige Craftbrauer genau diese Phänomene bei Ihren Bieren beobachteten, aber nicht deuten konnten.
Chad Yakobson vom Crooked Stave Artisan Beer Project berichtet zum Beispiel in einem Interview mit Claire Bullen aus dem Jahr 2019 von einem India Barleywine, den er 2009 bei Odell Brewing gebraut hat. Der Barleywine war mit Amarillo ™ und Simcoe ™ gestopft und mit dem Brettanomyces-Stamm von Orval vergoren. Das frische Bier hatte deutliche Orangen- und Kiefernaromen, während sich nach einiger Zeit ein intensives Lavendelaroma breit machte [4].
Hopfenöle und Aroma
Hopfen trägt in hohem Maße zum Bieraroma bei. Besonderer Aufmerksamkeit kommt dabei im Brauprozess den Bittersäuren und den flüchtigen, ätherischen Ölkomponenten zu.
Geht es um das typische Hopfenaroma im Bier, so stehen neben den Bittersäuren vor allem der Gesamtölgehalt, das Myrcen, das Linalool, das Caryophyllen, das Farnesen, das Humulene und das Geraniol im Mittelpunkt des Interesses, obwohl Studien zeigen, dass wohl mindestens 485 Hopfeninhaltsstoffe an der komplexen Aromabildung beteiligt sind. Neueste Studien sprechen gar von bis zu 1000 unterschiedlichen Hopfenkomponenten [5].
Von diesen über 400 identifizierten, aromatischen Hopfeninhaltsstoffen sind etwa zwei bis drei Dutzend maßgeblich am Bieraroma beteiligt, wobei die Terpenkohlenwasserstoffe β‑Myrcen, β‑Caryophyllen und α‑Humulen etwa 80% des Hopfenöls ausmachen [6].
Sharpe und Laws haben 1981 die einzelnen Stoffgruppen und Substanzen des Hopfenöls wie folgt unterteilt: [9]
Die sensorischen Eindrücke der wichtigsten Hopfenaromastoffe werden so beschrieben[3] [6] [9] [10]:
Komponente | Aromabeschreibung | Schwellenwert |
---|---|---|
Myrcen | „grün“, Harz | 30–1000 μm/l |
Humulen | Kiefer, Holz, Kräuter | k.A. |
ß‑Caryophyllen | Holz | 450 μm/l |
Farnesen | Blüten, floral | k.A. |
Linalool | Floral, Orange | 20–80 μm/l |
Geraniol | Floral, Rose, süß | 29–36 μm/l |
α‑Terpineol | Flieder, Nadelbaum | 2000 μm/l |
Nerol | Floral, Limette | 500 μm/l |
Hopfenaroma im Sudhaus
Im Brauprozess sind zwei unterschiedliche Anwendung des Hopfens maßgeblich an der Aromabildung beteiligt, wobei sich das daraus resultierende Aroma durch die technologischen Unterschiede in der Anwendung unterscheidet. Der erste mögliche Einsatz des Hopfens erfolgt im Heißbereich des Sudhauses. Hier liegt der technologische Fokus vor allem auf der Isomerisierung der α‑Säure um diese in der Würze zu lösen und so, unter anderem, für die Bittere im Bier zu sorgen [7].
Dies geschieht erst bei Temperaturen über 80°C. Bei einer Kochung unter Normaldruck, also bei 100°C, erreicht die Isomerisierung erst nach etwa vier Stunden Ihr Maximum [15].
Dem steht das Verhalten der hopfenaromatischen Öle gegenüber. Diese sind meist hydrophob, sehr schlecht in Würze löslich und leicht flüchtig [8]. Durch das Ausdampfen und die Adsorption am Heißtrub gehen während der Kochung die flüchtigen, hydrophoben Hopfenaromastoffe fast vollständig verloren [12]. Diesen Effekt kennt auch jeder Brauer aus der Realität: je länger Hopfen gekocht wird, desto bitterer wird die Würze aber desto weniger hopfenaromatisch.
Hopfenaroma im Keller
Der zweite Zeitpunkt, bei dem Hopfen ins Spiel kommt, kann im Kaltbereich sein, nämlich beim Hopfenstopfen. Diese vermeintlich neue Technik der Craftbrauer wurde bereits 1687 von W.H. Hohberg in Georgica curiosa beschrieben – ist also gar nicht so neu wie man meint, nur für einige Zeit aus der Mode gekommen [13].
Beim Stopfen dreht sich nun die Situation um. Eine Isomerisierung zur löslicheren Iso-α-Säure findet nicht mehr statt. Der während der Gärung entstandene Alkohol bewirkt aber durch seine Alkylgruppe, das sich unpolare Stoffe wie zum Beispiel Fette lösen. Durch seine Hydroxygruppe auf der anderen Seite ist er in der Lage, sich in Wasser zu lösen. Durch die wasserähnliche Hydroxygruppe und den lipophilen Kohlenwasserstoffrest verhält sich Ethanol wie ein „Lösungsvermittler“.
Ist zum Beispiel Myrcen in Wasser praktisch unlöslich (maximale Löslichkeit 4,09mg/l bei 25°C [16]), gibt es Myrcen-Alkohol-Lösungen mit 1000mg/l im Handel[17].
In einer 2012 veröffentlichten Studie zum Thema „Die Kalthopfung – Untersuchung verschiedener Parameter“ wurde unter anderem analysiert, in welcher Größenordnung während der Kalthopfung unterschiedliche Hopfeninhaltsstoffe im Bier in Lösung gehen. Dabei wurde stellvertretend die Zunahme an α‑Säure, Myrcen und Linalool untersucht. Die Zunahme hängt natürlich auch von der Konzentration im Stopfhopfen ab. In einer der Versuchsreihen wurde die Menge des Hopfen über dessen Gesamtölgehalt berechnet. Dosiert wurden konstant 2g Gesamtöl je hl. Untersucht wurden sieben Hopfen und gestopft wurde ein IPA das vor dem Kalthopfen folgende Parameter aufwies: [18]
Parameter | Wert |
---|---|
Stammwürze | 14,6% |
Alkoholgehalt | 5,6 Vol.-% |
Bittereinheiten | 32,0 IBU |
Iso-α-Säuren | 29,0 mg/l |
α‑Säuren | 3,3 mg/l |
Linalool | 19,5 μg/l |
Hopfen Parameter | Zunahme im Bier nach dem Stopfen | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Hopfensorte | Dosierung g/hl | %- α‑Säure Hopfen | Linalool μg/g Hopfen | %- α‑Säure mg/l | α‑Säure Zunahme % | Linalool μg/l | Linalool Zunahme % |
2008÷20÷004 | 170 | 9,8 | 31,2 | 2.8 | 84.8 | 49.2 | 252.3 |
Polaris | 70 | 19,6 | 25,6 | 2.0 | 60.6 | 23.0 | 117.9 |
2009÷001÷718 | 170 | 8,6 | 5,2 | 3.8 | 115.2 | 66.7 | 342.1 |
Hallertauer Blanc | 186 | 10,8 | 28,8 | 3.6 | 109.1 | 48.6 | 249.2 |
Mandarina Bavaria | 160 | 9,1 | 22,4 | 4.8 | 145.5 | 50.8 | 260.5 |
Bravo | 130 | 18,1 | 40,8 | 5.5 | 166.7 | 60.0 | 307.7 |
US0419 | 556 | 2,7 | 9,6 | 2.8 | 84.8 | 89.4 | 458.5 |
Mittelwert | 206 | 11.2 | 23,4 | 3.6 | 109.1 | 55.4 | 284.1 |
Das heißt, die Konzentration an α‑Säure wird durch das Stopfen im Schnitt mehr als verdoppelt und der Gehalt an Linalool verdreifacht sich fast. Daraus lässt sich die Ausbeute der beiden Stoffe während des Stopfens errechnen:
Hopfensorte | Ausbeute α‑Säure % | Ausbeute Linalool % |
---|---|---|
2008÷20÷004 | 1.7 | 92.8 |
Polaris | 1.5 | 128.3 |
2009÷001÷718 | 2.6 | 754.5 |
Hallertauer Blanc | 1.8 | 90.7 |
Mandarina Bavaria | 3.3 | 141.7 |
Bravo | 2.3 | 113.1 |
US0419 | 1.9 | 167.5 |
Während der Ausbeutefaktor der α‑Säure erwartungsgemäß niedrig ausfällt, verwundert der Ausbeutefaktor von teilweise über 100% beim Linalool. Eine Erklärung ist die enzymatische Freisetzung von glycosidisch gebundenem Linalool [19]. Dabei wird durch das Hefeenzym β‑Glucosidase die Hydrolyse der glycosidischen Bindung eines nicht-aromatischen Glycosids katalysiert, das zu Glukose und eben Linalool zerfällt [20].
Diese Reaktion erklärt zum einen die Zunahme an aromaaktiven Substanzen beim Stopfen, während die Hefe noch aktiv ist, zum andere aber auch den sogenannten Hop-Creep, also die plötzlich wieder stärker werdende Gärung, die zum Beispiel zur Überkarbonisierung führen kann.
The Good and the Bad
Obwohl eine noch aktive Hefe also anscheinend Vorteile beim Stopfen bringt, steht dem ein anderer Effekt gegenüber. Der Effekt, den wir im positiven Sinne beim Austreiben von Jungbieraromastoffen nutzen, die sogenannte Kohlendioxidwäsche.
Zu diesem Thema hat Dr. Korbinian Haslbeck einige Studien durchgeführt. Er hat dabei die Gärgase während des Kalthopfens durch eine Wasserkaskade aus 5 Zylindern mit jeweils 2,7l Wasser geleitet. Im Anschluss daran wurde das Wasser auf den Gehalt an Linalool, β‑Myrcen, Ethylhexanoat, Isoamylacetat und Styrol untersucht. Dabei konnte er relativ hohe Konzentrationen der Aromastoffe nachweisen.
Seine Studie zeigt auch, dass eine nicht unerhebliche Menge dieser Aromakomponenten durch die Hefe absorbiert und mit der Hefe später entfernt wird [21]. Das heißt, während eine aktive Hefe zwar die Bildung aromaaktiver Substanzen fördert, werden diese auch im hohen Maße wieder ausgetrieben.
Hopfenstopfen in der Praxis
Aus diesen beiden gegensätzlichen Effekten ergeben sich einige Anhaltspunkte für die Praxis:
- Das Stopfen sollte gegen Ende der Gärung stattfinden (fallende Kräusen), um zwar die Biotransformation ausnutzen zu können, aber die Verluste durch das entstehende Kohlendioxid zu minimieren
- Der Alkoholgehalt und damit das Lösungsvermögen für Hopfeninhaltsstoffe ist gegen Ende der Gärung höher
- Gegen Ende der Gärung kann die Temperatur erhöht werden, wodurch die Löslichkeit steigt, ohne Gefahr zu laufen unerwünschte Gärungsaromen ins Bier zu bekommen und ohne eine heftige Kohlendioxidproduktion zu provozieren (kochende Gärung), die entsprechend viel Aroma austreiben würde.
- Hopfen mit vielen Hopfenölen verwenden
- Hefen mit hoher β‑Glucosidase Aktivität verwenden
References
[1] Peacock, V. E.; Deinzer, M. L.; Likens, S. T.; Nickerson, G. B.; McGill, L. A.: „Floral hop aroma in beer”, J. Agric. Food Chem. 29 (6), 1981, S. 1265–1269
und
Seaton, J. C.; Moir, M.; Sugget, A.: „The refinement of hop flavour by yeast action”, Proceedings of the 17th Convention of the Institute of Brewing, Australia and New Zealand Section, Perth, Australia, 1982, S. 117–124.
12. Lam, K. C.; Foster II, R. T.; Deinzer, M. L.: „Aging of hops and their contribution to beer flavor”, J. Agric. Food Chem. 34 (4), 1986, S. 763–770.
[2] Andrew J King, J. R. (2003). Biotransformation of hop aroma terpenoids by ale and lager yeasts. FEMS Yeast Research, Volume 3, Issue 1, 53–62.
[3] Takoi, Kiyoshi. (2012). Aromaverbindungen und der typische geschmack von aromahophen-neuzuechtungen.. Brauwelt. 152. 916–921.
[4] Goodbeerhunting.com, January 2, 2019
[5] Kishimoto, Toru, Dissertation, Hop-Derived Odorants Contributing to the Aroma Characteristics of Beer, Kyoto University, Kyoto, Japan, 2008
[6] Graham Eyres, Jean-Pierre Dufour, Editor: Victor Preedy, Hop Essential Oil: Analysis, Chemical Composition and Odor Characteristics, Beer in Health and Disease Prevention, Academic Press, Cambridge, MA, USA, 2009
[7] Denis De Keukeleire, Fundamentals of beer and hop chemistry, University of Gent, Gent, Belgien, 1998
[8] Nils Rettberg, Martin Biendl, Leif-Alexander Garbe, Hop Aroma and Hoppy Beer Flavor: Chemical Backgrounds and Analytical Tools—A Review, Journal of the American Society of Brewing Chemists, Volume 76 Issue 1, American Society of Brewing Chemists (ASBC), Saint Paul, MN, USA, 2018
[9] F.R. Sharpe, D.R.J. Laws, The Essential Oil of Hops – A Review, Journal of the Institute of Brewing, Institute of Brewing and Distilling Volume 87, Issue 2, London, UK, 1981
[10] K. Silbereisen, E. Krüger, B. Wagner, M. Forch, Einfluß einiger Hopfenölkomponenten auf Geschmack und Aroma des Bieres, Monatsschrift für Brauerei, Ausgabe 21, Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei, Berlin, 1968
[11] M. Moir, Hop aromatic compounds, European Brewery Convention, Monograph 22 Symposium on Hops Zoeterwoude, Verlag Hans Carl, Nürnberg, 1994
[12] W. Mitterer, M. Biendl, D. Kaltner, Behaviour of hop derived aroma substances during wort boiling, European Brewery Convention Monograph 31 Symposium on Flavour and Flavour Stability in Nancy, Verlag Hans Carl, 2001
[13] W.H. von Hohberg, Georgica curiosa, Verlag Michael und Johann Friedrich Endters seel. Erben, Nürnberg, 1687
[14] Hertel, M., Dillenburger, M.: Möglichkeiten zur Erhöhung der Bitterstoffausbeute bei der Bierbereitung (Teil 2). Brauwelt, Verlag Hans Carl, Nürnberg , 2009
[15] M. Biendl, B. Engelhard, A. Forster, A. Gahr, A. Lutz, W. Mitter, R. Schmidt, C. Schönberger, Hopfen: Vom Anbau bis zum Bier, Verlag Hans Carl, Nürnberg, 2012
[16] Yalkowsky, S.H., He, Yan, Jain, P. Handbook of Aqueous Solubility Data Second Edition. CRC Press, Boca Raton, FL, USA, 2010
[17] beta-Myrcen Solution 1000 ug/mL, Thomas Scientific, Swedesboro, NJ 08085, U.S.A.
[18] W. Mitter, S. Cocuzza, Die Kalthopfung – Untersuchung verschiedener Parameter, Auswirkungen durch die Art der Einbringung, Brauindustrie, Verlag W. Sachon, Ausgabe 11, 2012
[19] D. Kaltner, Dissertation Brauwesen, Untersuchungen zur Ausbildung des Hopfenaromas und technologische Maßnahmen zur Erzeugung hopfenaromatischer Biere, Technische Universität München, Lehrstuhl für Technologie der Brauerei I, Weihenstephan, 2000
[20] C. Rice, T. Fischborn, S. van Zandycke, J. Montasell, Best Practices Botransformation- The Importance of Yeast in Dryhoppint, Lallemand, 2015
[21] Korbinian Haslbeck, Flüchtige Hopfenaromastoffe im Brauprozess, Brauwelt, Verlag Hans Carl, Nürnberg, Nr. 40–41, 2018