Bier­feh­ler des Quar­tals: Unan­ge­neh­me Bittere

Abb. 1: Der bittere Trank - Adriaen Brouwer

Wer die meist butterweiche Bittere kommerzieller Biere gewohnt ist, stößt beim Heimbräu womöglich früher oder später auf eine unangenehm kratzige oder sogar adstringierende Bittere. Obwohl an diesem Punkt schnell über die Bitterqualität diskutiert wird, dürfte viel häufiger ein Problem bei der Bitterquantität vorliegen, da rund um die Ausbeute der Hopfengabe jede Menge Stolperfallen lauern. Der Artikel bietet einen Überblick über die wichtigsten Bitterstoffe im Bier, Tipps zur Vorbeugung von unangenehmer Bittere und diskutiert einen Ansatz zum Feintuning von deren Harmonie.

1. Physiologie

Bitter ist eine der fünf Grundgeschmacksarten und wird von unserer Zunge über ca. 25 - 30 Rezeptoren wahrgenommen. Das sind mehr, als bei allen anderen Grundgeschmacksarten zusammen. Evolutionär wird hinter diesem besonders sensiblen Sinneseindruck eine Schutzfunktion vor giftigen Pflanzbestandteilen vermutet [GusW]. Dies macht man sich heute noch etwa bei der Vergällung von Alkohol oder Haushaltsreinigern zunutze. Die bitterste aller bekannten Substanzen, das Denatoniumbenzoat, durfte daher für das Titelbild herhalten. Vor diesem Stoff bleibt der Hobbybrauer jedoch glücklicherweise verschont - sofern er nicht mit Spiritus reinigt.

Kulturell hat sich ein Gefallen an Bittere entwickelt, der auch unserem Bier eine angenehme Komplexität und Balance verleiht. Hopfen steht (heute) nicht nur für eine angenehme Bittere, sondern konnte sich historisch vor allem durch seine konservierenden Eigenschaften durchsetzen.

Im Bereich der „unangenehmen Bittere“ ist häufig das Phänomen der Adstringenz anzutreffen, die selbst keine Grundgeschmacksart ist, sondern über den Nervus trigeminus wahrgenommen wird [TriW]. Adstringenz wird häufig als pelziger, kratziger oder den Mundraum zusammenziehender Eindruck empfunden und gilt im Allgemeinen als unerwünscht.

2. Ursachen im Überblick

In Bier finden sich zahlreiche Bittersubstanzen, von denen viele erwünscht sind und der Bierqualität zuträglich sind. Zu den Bittersubstanzen aus Hopfen ist unbedingt auch der Artikel Der heilige Gral der Hopfenindustrie in dieser Ausgabe des brau!magazins zu beachten.

In Tabelle 1 folgt ein Auszug der verschiedenen, bitteren Substanzen im Bier und die Problemfelder rund um ihre Genese.

Tabelle 1: Bittersubstanzen im Bier

SubstanzBeschreibungProblemfelder
(Iso-)α-SäurenLeitsubstanz der Bierbittere, entsteht durch Isomerisierung der α-Säuren des Hopfens beim Würzekochen. Die Reaktionsrate hängt stark vom pH der Würze und ihrer Temperatur ab. Die Isomerisierungsrate vermindert sich unter 100 °C pro 10 Kelvin um jeweils ca. 60 %. Nach etwa 90 - 120 min erreicht die Ausbeute häufig ein Plateau.Falsche Annahmen bei der Berechnung der Hopfenmenge (vgl. Abschnitt 3), inkl. der sog. "Nachisomerisierung" in heißer Würze nach Kochende können zu erhöhter Auslaugung führen.
β-SäurenGehören wie die α-Säuren zur Fraktion der Weichharze des Hopfens. Geringere Bitterkeit bei unauffälliger sensorischer Qualität.Tragen positiv zur Harmonie der Bierbittere bei. Siehe auch Abschnitt 4.
PolyphenolePolyphenole gelangen v.a. aus Getreidespelzen und dem Hopfen in das Bier. Die Polyphenole aus den Spelzen gelten hierbei geschmacklich als unedler als jene des Hopfens. Die Polyphenole aus dem Hopfen tragen in moderater Menge zur Abrundung der Bierbittere und der Vollmundigkeit bei.Verstärkte Auslaugung der Spelzen durch ungünstig hohen pH beim Maischen und Läutern. Zu hoher Einsatz von Hopfen, z.B. aufgrund zu später Gaben oder zu niedriger Alphasäuregehalte. Kann sich als pelzige, adstringierende Bitterkeit zeigen.
Eiweiß-Gerbstoff-KomplexeEiweiße aus Malz und Hopfen verbinden sich mit vorgenannten Polyphenolen und sedimentieren unter günstigen Bedingungen als Bestandteil des Heiß- und Kühltrubs.Probleme bei unzureichender Abtrennung der Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe, etwa bei zu hohem Würze- und Bier-pH, ungenügender Kochung, sehr eiweißreichen Malzen, schlechter Klärung beim Ausschlagen der Würze oder zu wenig Kälte in der Lagerung.
Sulfate, insb. MagnesiumsulfatBrauwasser und RohstoffeSiehe Abschnitt 3.
Langkettige EiweißeLangkettige Eiweiße können die Bitterrezeptoren auf der Zunge ansprechen. Dies wird auch als Eiweißbittere beschrieben.Kann bei eiweißreichen, schlecht gelösten Schüttungen, insb. in Verbindung mit ungünstiger Kochung auftreten.
HopfenpartikelVerschleppung von Hopfenpartikeln ins fertige Bier, die eine sehr intensive, beißende bis pelzige Bitterkeit aus Hartharzen und Polyphenolen vermitteln. Ist bei IPAs mitunter als "hop burn" bekannt und wird vereinzelt toleriert. Tritt meist infolge des Hopfenstopfens auf, besonders wenn mit hohen Einsatzmengen und kurzen Verweil-/Lagerzeiten (siehe New England IPA) gearbeitet wird.
PhenolePhenolische Substanzen wie 4-Vinylguaiacol, 4-Vinylphenol oder 4-Ethylphenol. Precusor teilweise aus dem Malz, Umsetzung durch Hefen. Können eine krautige, harte Bitterkeit erzeugen.Freisetzung in problematischer Menge meist bei einer Kontamination mit Wildhefen.

3. Stolperfalle Bitterstoffausbeute

Die Bitterstoffausbeute in Prozent beschreibt, wieviel der in den Hopfengaben enthaltenen α-Säure tatsächlich in das Bier übergegangen und erhalten geblieben ist. Man kann diesen Wert nachträglich ermitteln, indem die tatsächlich extrahierte Menge an (isomerisierter) α-Säure im fertigen Bier gemessen wird. Deren Menge in mg/l wird in der Regel mit den Bittereinheiten, kurz BE oder IBU, gleichgesetzt. Und selbst das weist in der Praxis seine Tücken auf: Der grosse IBU-Schwindel.

In Ermangelung einer Bitterstoffanalytik, ist man als (Hobby-)Brauer in der Regel jedoch für die Bitterstoffausbeute auf eigene Annahmen und empirische Formelwerke wie die von Tinseth angewiesen. [Tin]

Alle Faktoren für die Ausbeute zu berücksichtigen ist schier aussichtslos. Neben der hauptsächlich betrachteten Kochzeit und -temperatur sind auch die Hopfensorte, das Hopfenprodukt (Pellets P90/P45, Dolden, Extrakt), der Würzekontakt (Stichwort „Hopfensack“), der pH-Wert, der Heißtrubanfall und pH-Sturz während der Gärung maßgeblich.

Ist ein Bier bitterer als geplant, wird intuitiv oft eine mangelnde Bitterqualität vermutet, die ihren Ursprung irgendwo zwischen den Ionen im Brauwasser, Gerbstoffen aus dem Malz, einer fiesen Hopfensorte oder unzureichender Lagerung haben soll. Es dürfte sich jedoch weitaus häufiger so verhalten, dass die Bitterstoffausbeute zu hoch war und damit die Bittereinheiten effektiv höher ausgefallen sind als geplant.

Möchte man unter gängigen Annahmen und Berechnungen rund um die Bitterung arbeiten, sollte man sich an empfohlene technologische Parameter bei der Würzebereitung halten. Zur Wasseraufbereitung allgemein und stilabhängig günstigen Zusammensetzungen gibt unser Brauwasserartikel der Frühjahrsausgabe 2015 Auskunft. Im Folgenden sollen die zentralen Faktoren herausgestellt werden, die aus der Domäne Brauwasser auf die Bittere einwirken.

3.1 Einfluss des Brauwassers auf die Bitterstoffausbeute und -qualität

Der Einfluss des Brauwassers wirkt in erster Linie über die Restalkalität, deutlich nachrangig auch über die Zusammensetzung der Ionen. Mit höherer Restalkalität steigen der Maische-pH, sukzessive der Würze-pH und in der Regel auch der Bier-pH.

Abb. 2 Erzfeind der angenehmen Bittere: Kalk (Bildnachweis s. Quellen)

Mit steigendem pH wird in der Folge die Auslaugung des Hopfens intensiver; es werden insgesamt mehr Bitterstoffe (und damit Bittereinheiten) extrahiert und damit u.U. auch mehr, als dies etwa auf Basis eines Hopfenrechners im Vorfeld abgeschätzt wurde. Ferner sinkt die sensorische Qualität der extrahierten Bitterstoffe, da vermehrt unedle Bestandteile des Hopfens ausgelaugt werden, die bei niedrigerem pH-Wert deutlich schlechter löslich gewesen wären. [Nar10]

Zusätzlich wird bei ungenügender pH-Absenkung während der Gärung weniger Bittere in Form von Hopfenharzen ausgeschieden. Wer schon Hopfenharze „verkostet“ hat, der weiß, dass man diese garstige Bittere auf keinen Fall im Bier haben möchte. Genau das kann jedoch bei einem zu hohen Bier-pH der Fall sein!

Im Interesse einer sollgerechten und hochwertigen Bittere sollten daher die pH-Werte im ganzen Brauprozess in den technologisch empfohlenen Bereichen gehalten werden [Tab.2].

Tabelle 2: Empfohlene pH-Bereiche

ProzessabschnittEmpfohlener pH-Bereich [Bri04]Methoden
MaischepH 5,4 - 5,6Wasseraufbereitung, Komposition der Schüttung, Maischesäuerung
LäuterwürzepH < 6,0Kleinere Nachgüsse, Abbrechen der Nachgüsse, Aufbereitung der Nachgüsse
PfannenvollwürzepH < 5,6Würzesäuerung, Brausalze
BierpH 4,2 - 4,6Vorgenannte Maßnahmen, ergänzt durch eine vitale, intensive Gärung für einen kräftigen pH-Sturz

3.2. Magnesium / -sulfat

Magnesium wird neben dem Brauwasser auch durch Malz in erheblicher Menge eingetragen. Im Zusammenspiel mit den Sulfat-Anionen liegen sie im Brauwasser (dissoziiert) als Magnesiumsulfat vor, das auch unter seinem Trivialnamen „Bittersalz“ bekannt ist. Der Magnesiumgehalt im Rohwasser bewegt sich meistens bei deutlich unter 50 mg/l und fällt damit regelmäßig hinter dem Magnesiumeintrag des Malzes zurück, der bereits bei der typischen Schüttung eines Vollbieres chargenabhängig satte 70 – 150 mg/l betragen kann. [Pal13]

Abb. 3: Magnesiumsulfat (MgSO4) - Ein Garant für unangenehme Bittere?

Ein Gedankenspiel hierzu: Es treten gegeneinander an ein Bockbier mit 16,5 % Stammwürze ohne Magnesium im Brauwasser und ein Pils mit 11 % Stammwürze bei vermeintlich horrenden 50 mg/l Magnesium. Im Maibock fände sich in einer Analyse alleine bei einem malzseitigen „Magnesium-Ballast“ von 10 mg pro Liter pro Grad Plato bereits 165 mg/l Magnesium. Das Pils würde hingegen trotz seines erhöhten Ausgangswertes im Brauwasser bei gleichem Malz mit 160 mg/l sogar noch etwas darunterbleiben.

Man sieht an dieser Stelle, dass Magnesium nicht als alleiniger Erklärungsansatz taugt und sich selbst Magnesiumgehalte von bis zu 50 mg/l bei Betrachtung des Faktors Malz einigermaßen relativieren.

Geboten ist vielmehr ein bierstilabhängiges Feintuning. So sollte man umso kritischer auf den Magnesiumwert des Rohwassers schauen, je mehr Sulfat – etwa durch Braugips – dem Wasser zudosiert wird, je höher die Stammwürze ist und je stärker gehopft werden soll.

Um diesen Abschnitt mit einem weiteren Beispiel abzuschließen: Wer bei seinen 20 – 30 mg/l Magnesium eine kratzige Bittere im 12 °P Pale Ale hat, der wird beim Magnesiumgehalt nicht den Schuldigen finden.

 3.3. Chlorid-Sulfat-Verhältnis

Hohe Sulfatwerte von 150 bis 250 mg/l können dem Bier eine kräftigere, „präzisere“ bis hin zu einer am Gaumen austrocknende Bittere verleihen. Dies wird besonders in hopfenbetonten Bierstilen wie Pils und IPA als positiv bewertet. Wie bereits im vorherigen Abschnitt ausgeführt, sollte der Magnesiumgehalt bei derart hohen Dosagen im Auge behalten werden. Zum Eintrag von Sulfat ins Brauwasser ist daher nur Calciumsulfat, auch „Braugips“ genannt, zu empfehlen.

Als Antagonist wird häufig Chlorid bezeichnet, das dem Bier eine weichere, süßliche, bei hohen Konzentrationen jedoch auch salzige Note verleihen kann. Ein Verhältnis zwischen diesen Ionen zu suchen, führt auf eine falsche Fährte: Von der Wasseranalyse zum Brauwasser.

Die sensorischen Effekte von Chlorid und Sulfat sollten unabhängig voneinander und im Kontext der genauen Biersorte betrachtet werden. Es handelt sich dabei eher um ein Feintuning. Weder erzeugen Konzentrationen von bis zu 250 mg/l Sulfat eine kratzige Bittere, noch könnten sie eine hohe Dosage von Calciumchlorid ausgleichen.

3.4. Zwischenfazit Brauwasser

Bei unangenehmer Bittere sollte zuerst die Restalkalität berechnet und in bierstiltypische Bereiche korrigiert werden. Außerdem empfiehlt sich unbedingt eine Kontrolle und ggf. Einstellung der pH-Werte im gesamten Brauprozess durch Maische- und Würzesäuerung. Die Zusammensetzung des Brauwassers in Bezug auf seine gelösten Salze tritt hinter die vorgenannten Maßnahmen zurück, bietet jede Menge Möglichkeiten zur Justierung des Hopfencharakters im Bier.

4. Das Feintuning: Harmonie der Bittere

Die Beeinflussung der Harmonie der Bierbittere durch eine geeignete Wahl der Hopfensorten und ihr Einsatz im Sudhaus ist ein technologischer Dauerbrenner.

4.1. Die Begleitbitterstoffe

Neben der Iso-α-Säure, die den größten und charakteristischsten Teil der Bierbittere ausmacht, werden diverse weitere bittere Substanzen aus dem Hopfen gelöst. Diese werden bei der EBC-Methode 9.8 zur Bestimmung der Bittereinheiten unspezifisch mitgemessen und finden damit ihren Weg in die BE/IBU. Man bezeichnet diese Substanzen daher auch als Begleitbitterstoffe. Die größten Gruppen darunter bilden die Polyphenole und die beta-Säuren.

Abb. 4: Auswirkung der Ratio von gemessenen Bittereinheiten zu Iso-α-Säure auf die Harmonie des Bieres (Quelle: Adrian Forster, HVG)

Interessant ist bei der Erforschung der Bierharmonie ihr mengenmäßiges Verhältnis zu den reinen Iso-α-Säuren, die in der Regel per HPLC bestimmt werden. Es konnte in der Vergangenheit mehrfach gezeigt werden, dass sich ein steigendes Verhältnis dieser Bitterbegleitstoffe zu Iso-α-Säuren positiv auf die Harmonie auswirkt, wie in Abb. 4 zu erkennen. [ForW] Ein höheres Verhältnis von Begleitstoffen zu Iso-α-Säuren weisen naturgemäß Sorten mit niedrigem Niveau an Iso-α-Säuren aus, z.B. Landsorten, und Hopfensorten mit erhöhtem Gehalt an β-Säure. Es verwundert daher auch nicht, dass Landsorten in der Bitterharmonie häufig besser abschneiden als Hochalphasorten und besonders von handwerklichen Brauern lobend erwähnt und bevorzugt eingesetzt werden.

Das ist jedoch nicht die ganze Geschichte. Durch die schiere Mehrmenge an Hopfen im Vergleich zu Sorten mit höherem α-Säuregehalt, kann durch das „grüne Pflanzenmaterial“ eine grasig-krautige Note und breite Bittere in das Bier gelangen. Als Indikator dafür wird tatsächlich gerne das für die grüne Farbe verantwortlich Chlorophyll herangezogen [Brauwelt]. Der damit assoziierte Hopfencharakter passt nicht zu allen Bierstilen, womit sich zumindest ein anteiliger Einsatz von Sorten mit erhöhtem Alphasäure-Gehalt im Bereich von > 6 % α-Säure anbietet. Dies umso eher, je höher die angestrebte Bittere liegt. Mit dem Double IPA Pliny the Elder von Russian River gibt es sogar ein kommerzielles Beispiel von Weltruf, das durch den Einsatz von Hopfenextrakt den Eintrag von „grünem Pflanzenmaterial“ eindämmt.

Es kann sich daher für eigene Rezepturen lohnen, für die Grundbittere mit Hopfen von unterschiedlem α-Säuregehalt zu experimentieren.

5. Zusammenfassung

Hopfen hat den mit Abstand größten Einfluss auf die Bierbittere. Maßnahmen rund um die Korrektur einer unangenehmen Bittere sollten daher dort ansetzen. Häufig ist das Problem an einer zu hohen Bitterstoffausbeute durch ungünstige technologische Rahmenbedingungen festzumachen. An erster Stelle stehen hierbei zu hohe pH-Verhältnisse durch eine zu hohe Restalkalität des Brauwassers und/oder fehlende Maische- und Würzesäuerung. Es gibt jedoch zahlreiche weitere Stellschrauben für die Qualität der Bierbittere, die mitunter persönlichen Vorlieben unterworfen sind.


Quellen:

 

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