Bier­feh­ler des Quar­tals: Schwefeln

Wer kennt ihn nicht, den tiefen, erwartungsfrohen Atemzug am Gärspund, der statt fruchtiger Ester und Hopfenöle vor allem eines bereithält: Faule Eier. Die Produktion des dafür verantwortlichen Schwefelwasserstoffs ist zwar überwiegend bereits in der Gentik eines Hefestammes angelegt und in geringen Maße auch nicht störend oder gar stiltypisch, doch oftmals ist ein unangenehm hohes Niveau der Hinweis auf Defizite bei den Nährstoff- und Gärungsbedingungen.

Steckbrief

Schwefelwasserstoff

Hier ist was faul: Schwefelwasserstoff

  • Geruch: in geringen Konzentrationen positiver Beitrag zum Jungbier-Aroma untergäriger Biere, in höheren Konzentrationen unangenehm sulfidartig; nach faulen Eiern.
  • Leitsubstanz: Schwefelwasserstoff (H2S), Methyl- und Ethylmercaptan
  • Geruchsschwellenwert: 4 μg/l in Bier
  • Ursache: Stoffwechselprodukt der Hefe, insbesondere bei ungünstigen Gärbedingungen. Selten auch als Stoffwechselprodukt von Bakterien

Entstehung

Hefe benötigt schwefelhaltige Aminosäuren (AS) als Baustein für die Synthese von Proteinen und Enzymen, die dem Aufbau an Biomasse dienen. Gehen die natürlich in der Würze vorkommenden schwefelhaltigen AS Methionin und Cystein zur Neige, kann Hefe schwefelhaltige AS auch selbst synthetisieren, indem Schwefel aus anderen Quellen, allem voran Sulfat der Würze, in verfügbare Aminosäuren eingebaut wird. Für diese Synthese werden weitere Nährstoffe benötigt, allen voran freier Aminostickstoff (FAN). Da dieser und andere Nährstoffe in einer Normalwürze deutlich schneller zur Neige gehen als Schwefel, wird für einen gewissen Zeitraum weiterhin Schwefel aus der Würze aufgenommen, obwohl mangels anderer Nährstoffe keine Verwendung mehr dafür besteht. Dieser Überschuss wird mitunter als Schwefeldioxid (SO2) und Schwefelwasserstoff (H2S) ausgeschieden.

Dieses überschießende Verhalten ist im wesentlichen in der Genetik eines Hefestammes angelegt. Während manche Hefen auch unter ungünstigen Nährstoff- und Gärungsbedingungen kaum H2S produzieren, reagieren andere Stämme deutlich sensibler auf die vorherrschenden Bedingungen.

Untergärige Stämme schwefeln durch die Einkreuzung von S. bayanus generell stärker als obergärige Stämme, doch auch innerhalb dieser Gruppen gibt es erhebliche Unterschiede. Das unterschiedliche Verhalten wird in der genetisch regulierten Reaktion auf Stickstoffmangel vermutet [Oga13]. Durch Inaktivierung dieses Gens konnte in Versuchen bereits im beliebten Stamm W34/70 das Schwefeln vollständig unterdrückt werden [Quelle]. Mit dem Aufkommen genetischer Modifikationen in der Hefezucht könnten daher in Zukunft Stämme zu erwarten sein, die selbst unter ungünstigen Bedingungen kein H2S mehr produzieren.

Problemfelder

So gut wie jeder Stamm reagiert auf ein höheres Angebot an Nährstoffen und günstigere Gärbedingungen mit einer verminderten Produktion von H2S. Erhöhtes Schwefeln bzw. der langsame Abbau kann daher auch als Indikator für einen unbefriedigenden Gärverlauf herangezogen werden. Die Maßnahmen gegen Schwefeln lesen sich daher synonym zu generellen Empfehlungen zur Gärung:

  • Ausreichende Belüftung
  • Ausreichende Hefegabe
  • Hohe Hefevitalität
  • Prüfen, ob FAN Ausstattung der Würze ausreichend oder Eiweissrast sinnvoll: [Artikel Oli]
    • Ggf. zu hohen Rohfrucht- oder Zuckereinsatz durch Malze ersetzen
  • Maßvoller Einsatz von Hefenährsalz
  • Schwefelnde Biere nicht in Karbonisierung und Kaltreifung geben (H2S wird eingeschlossen; hefeeigener Abbau wird verlangsamt). Hier können wenige Tage im Gärkeller viele Wochen im Lagerkeller ersparen.

Der Abbau des leicht flüchtigen H2S am Ende der Gärung wurde bisher auf die physikalische Auswaschung durch Gärungs-CO2 zurückgeführt. Seit einigen Jahren wird auch eine aktive Wiederaufnahme durch die Hefe nach weitgehender Erschöpfung der Würzezucker vermutet [Oka07]. Demnach wären hohe Ausschlagvergärungsgrade mit geringer Differenz zum Endvergärungsgrad und vitale Hefezellen in Schwebe ebenfalls Faktoren für einen geringen H2S Gehalt im fertigen Bier.

Erste-Hilfe-Maßnahmen

Aufgrund der hohen Flüchtigkeit von H2S kann bei "hartnäckigen Fällen" eine Gaswäsche mit CO2 versucht werden. Hierbei wird im offenem Bottich CO2 etwa durch einen Sprudelstein von unten in das Bier eingeblasen. Im geschlossenen System kann dies erfolgen, indem mehrfach über Zielwert karbonisiert und mittels Spundapparat wieder kontrolliert abgeblasen wird.

Zusammenfassung

Geringe Konzentrationen an Schwefelwasserstoff (H2S) können stiltypisch sein, in höheren Konzentrationen stellt sich ein unangenehm fauliger Geruch ein. H2S ist ein Stoffwechselprodukt der Hefe und wird in seiner Konzentration im wesentlichen durch Hefestamm, Hefevitalität und Würzezusammensetzung bestimmt. Bei Problemen sollten vorgenannte Faktoren auf Probleme geprüft werden, da verstärktes Schwefeln das Symptom eines unbefriedigenden Gärverlaufs sein kann.


Quellen:

2 Kommentare zu “Bier­feh­ler des Quar­tals: Schwefeln

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