Berechnung und Messung der Bierfarbe
Die Bierfarbe ist eine der offensichtlichsten Eigenschaften eines Biers. Wie wird sie benannt, wodurch wird sie beeinflusst, wie kann ich sie berechnen und wie messen? Diese Fragen stellen sich besonders Neulinge der Braukunst – dieser Artikel wird sie beantworten.
Fantasievolle Namen
Die Bierkenner haben eine erstaunliche Fantasie bei der Benennung von Bierfarben entwickelt. Bei den hellen Bieren beginnt das mit Gelbtönen wie hell‑, stroh- oder goldgelb, geht über verschiedene Bernstein- und Broncenuancen weiter zu Brauntönen und verschiedenen Schattierungen von Schwarz. Die rötlichen Biere haben ihre eigene Farbskala von Orange über Kupfer und Rubin bis zum Mahagoni. Oft werden die Farben auch mit weiteren Attributen wie hell, dunkel, leuchtend oder blass versehen.
Allen Farbnamen gemeinsam ist, dass sie nicht klar definiert sind. Was dem einen noch ein dunkles Goldgelb ist, erscheint dem anderen schon als hell leuchtender Bernstein. Das mag in der blumigen Bierbeschreibung eines Sommeliers noch durchaus interessant einfallsreich erscheinen, erweist sich aber spätestens dann als Pferdefuß, wenn man die Bierfarbe als Kriterium ansieht, das vergleichbar und vor allem wiederholbar sein muss. Es braucht also eine messtechnisch nachvollziehbare Definition der Bierfarbe.
(Nicht nur) das Malz macht die Farbe
Natürlich beeinflusst zuallererst die Zusammensetzung der Schüttung die Farbe. Malze haben sehr unterschiedliche Farbtöne, vom strohfarbenen Pilsner bis zum tiefschwarzen Röstmalz. Vom Mälzer werden die Farben in Europa in der Einheit EBC, in den USA in SRM oder Lovibond angegeben. Extreme sind auf der hellen Seite extra helles Pilsner Malz mit ca. 2 EBC (etwa 1 SRM) und Röstmalz Typ III mit ca. 1400 EBC (etwa 500 SRM) am dunklen Ende der Skala. Was bedeuten diese Angaben?
Die Werte beziehen sich nicht, wie man zunächst annehmen könnte, direkt auf die Farbe des Malzes, sondern auf die Farbe der daraus hergestellten Bierwürze. Das ist durchaus ein Unterschied, denn auf den ersten Blick fast gleichfarbige Malze können durchaus sehr unterschiedliche Würzefarben erzeugen.
Um die Würzefarbe festzustellen, wird unter standardisierten Bedingungen eine Maische, die sogenannte Kongressmaische ([1] S. 184ff), gefahren, die entstandene Würze filtriert und deren Farbe gemessen – die Messmethoden erklären wir weiter unten.
Die Würzefarbe der Kongressmaische wird in der Malzanalyse als Malzfarbe angegeben. Sie lässt aber nur begrenzt auf die Farbe des Bieres schließen, da die Bierfarbe auch von der Stammwürze abhängig ist und sich auch während Kochung und Gärung noch verändert. Meist findet man in der Analyse auch noch die Kochfarbe, die unmittelbar nach Ende einer zweistündigen Kochzeit ermittelt wird.
Berechnung der Bierfarbe
Die resultierende Bierfarbe kann überschläglich aus den einzelnen Malzfarben und den jeweiligen Schüttungsanteilen berechnet werden. Die Stammwürze wird mit einem Korrekturfaktor berücksichtigt.
Die Zufärbung während des Kochens nimmt mit der Kochzeit zu und wird mit etwa 1,5 EBC pro Stunde einberechnet [5]. Ein zusätzlicher Korrekturwert gleicht die vergleichsweise hohen Zufärbungen bei hellen Bieren aus. Er muss empirisch ermittelt werden und liegt typisch zwischen 2 und 4 EBC.
cB – Resultierende Bierfarbe in EBC
c1 … cn – Malzfarben in EBC
m1 … mn – Schüttungsmengen in kg
Stw – Stammwürze in °P
tk – Kochzeit in Stunden
fk – Zufärbung beim Kochen in EBC/h
k – Korrekturwert, bei hellen Bieren 2 … 4 EBC
Vergleich mit Farbkarten
Ohne besondere Hilfsmittel ist es sehr schwer, die Bierfarbe zu bestimmen. Man kann zwar versuchen, das Bier im Glas mit einer Farbkarte zu vergleichen, das gelingt aber nur mit etwas Erfahrung und unter stets gleichen Bedingungen halbwegs gut.
Entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung der Farbe hat zunächst die Schichtdicke der Bierprobe, also in diesem Fall der Durchmesser des Glases: je größer der Glasdurchmesser ist, desto dunkler erscheint das Bier. Die Farbkarte sollte also im Idealfalle auf das Testglas abgestimmt sein.
Dazu kommt die Stärke und Farbe der Beleuchtung: Je heller die Beleuchtung, desto heller erscheint auch das Bier. Unterschiedliche Lichtfarben werden außerdem auch unterschiedlich vom Bier absorbiert, so das bei rötlichem oder bläulichem Licht die Ergebnisse durchaus sehr unterschiedlich ausfallen können.
Ein solcher Vergleich kann also nur halbwegs zuverlässig funktionieren, wenn stets mit dem gleichen Glas und unter identischer Beleuchtung verglichen wird. Etwas Erfahrung und ein Abgleich der eigenen Schätzungen mit gemessenen Werten hilft zusätzlich.
Farbbestimmung mit dem EBC-Komparator
Diese Messmethode beruht auf dem Vergleich der Würzefarbe mit einem Satz von Farbscheiben. Für definierte Lichtverhältnisse sorgt dabei der Komparator, der mit einer standardisierten Glühlampe beleuchtet wird. Die Messung wird unmittelbar nach Beendigung der Kongressmaische ausgeführt, um Farbänderungen durch Oxidation weitgehend auszuschließen.
Die Würze wird in eine Küvette mit definiertem Durchmesser (5, 10, 25 oder 40mm) eingefüllt und im Komparator mit einem Farbscheibensatz verglichen. Je nach Würzefarbe wird der entsprechende Scheibensatz benutzt, der zum Beispiel von 2,0−6,0, 6,0−10,0, 10–18 oder 19–27 EBC reicht. Dunklere Würzen werden in dünneren Küvetten gemessen und müssen eventuell zusätzlich verdünnt werden. Die Ergebnisse werden immer auf eine Schichtdicke von 25mm umgerechnet.
Verschiedene Personen werden aufgrund individueller Unterschiede bei Messung im Komparator für die gleiche Würze mehr oder weniger verschiedene Ergebnisse liefern. Um die Fehler zu begrenzen, dürfen diese Messung nur farbtüchtige Personen ausführen. Zusätzlich kann die individuelle prozentuale Abweichung anhand einer Kontrolllösung bestimmt und dann bei Messungen dieser Person berücksichtigt werden.
Ein moderner EBC-Komparator ist der Lovibond EBC Comparator 3000.
Spektralphotometrische Messung
Bei dieser Messung wird die Absorption von Licht mit 430nm Wellenlänge (Blau-Violett) beim Durchleuchten einer Bierprobe festgestellt. Die Probe wird entkarbonisiert und in einer Küvette in das Messgerät eingebracht. Dunkle Biere müssen entsprechend verdünnt werden.
Der Nullwert wird mit einer mit klarem Wasser gefüllten Küvette eingestellt. Wenn das Messgerät keine Kompensation der Trübung durch eine zweite Messung bei 700nm durchführt, müssen trübe Biere filtriert werden.
Gemessen wird der Absorptionsfaktor, also das Verhältnis der Lichtstärke von eintretendem zu austretendem Licht.
Mit folgender Formal kann daraus der EBC-Wert berechnet werden:
A430 – Logarithmus des Absoptionsfaktors bei 430nm Wellenlänge
D – Verdünnungsfaktor, 1 für unverdünnt, 2 für 1:1 verdünnt usw.
Beispiel: unverdünnte Probe, austretendes Licht ist 1/100 des eintretenden, Logarithmus ist 2, also EBC = 2 * 1 * 25 = 50
Moderne Geräte erledigen diese Rechnung natürlich selbständig und geben direkt den EBC-Wert aus. Ein Beispiel für ein aktuelles Spektralphotometer ist das Lovibond PFXi-195/4.
Eigenbau-Photometer
Ein einfaches Spektralfotometer lässt sich für den geübten Elektroniker mit geringen Mitteln auch selbst bauen. Lichtquelle ist dabei eine blaue LED, die Licht von 430nm Wellenlänge abgibt. Ein Fotowiderstand, dessen Empfangsspektrum sichtbares Licht abdeckt und dessen maximale Empfindlichkeit möglichst nahe an 430nm liegt, dient als Empfänger.
Das ganze wird so in ein lichtdichtes Gehäuse eingebaut, dass dazwischen eine Küvette eingesetzt werden kann. Der Nullwert wird mit klarem Wasser eingestellt. Die Kalibrierung erfolgt mit einer Kontrollösung bestehend aus 0,1g Kaliumdichromat (K2Cr2O7) und 3,5g Nitroprussid-Natrium (Na2[Fe(CN)5NO]*2H2O) in Wasser gelöst und auf 1 Liter aufgefüllt ([1] S. 194). Diese Lösung ist im Dunklen etwa einen Monat haltbar. Sie besitzt eine Farbe von exakt 15 EBC [1].
Der Hobbybrauer der ersten Stunde Earl Scheidl hat ein solches Projekt schon 2009 umgesetzt [3].
Rot oder Braun?
Diese Frage kann der EBC-Wert nicht beantworten. Er beschreibt ja eigentlich gar keine Farbe, sondern die Stärke der Absorption von blauem Licht. Statt Bierfarbe wäre ein treffenderer Name eher Helligkeit oder noch besser Lichtdurchlässigkeit.
Dazu kommt, dass Biere mit unterschiedlich getönten Farben das blaue Licht auch unterschiedlich stark absorbieren. Am stärksten wird Licht einer bestimmten Farbe von einem Medium mit seiner Komplementärfarbe absorbiert.
Im Kreise der Komplementärfarben liegt blau gegenüber von gelb. Gelbes und braunes Bier absorbiert blaues Licht also stärker als zum Beispiel rötliches Bier. Damit wird ein rötliches Bier immer heller gemessen als bräunliches.
Weil in der Praxis aber nicht blaues, sondern weißes (also aus allen Spektralfarben gemischtes) Licht auf ein Bier fällt, nehmen wir die Helligkeit der Farben mit dem Auge ganz anders wahr. Im Ergebnis wirken Biere mit unterschiedlichen Farbtönen, die nach EBC-Messung die gleiche Farbe haben, für einen Betrachter höchst verschieden.
Ein sehr schönes Beispiel hat die Firma Briess in [4] fotografiert. Auf Seite 13 der Präsentation sind sechs Biere abgebildet, die nach EBC-Verfahren gemessen die gleiche Bierfarbe haben, aber für das Auge deutliche Unterschiede in der Helligkeit und im Farbton aufweisen.
Cui bono?
Wem nützt die Farbmessung? Für große Brauereien ist die Messung der Bierfarbe ein essentieller Bestandteil der Qualitätssicherung. Hier kommt es auf die exakte Reproduktion des Produkts auch unter Einsatz von Rohstoffen schwankender Qualität an. Die Farbe ist einer der Parameter, der dem Kunden direkt augenfällig ist und muss daher möglichst konstant gehalten werden.
Auch auf den Etiketten der Hobbybrauer-Biere findet man die Farbangabe oft gleichberechtigt neben anderen Parametern wie Stammwürze und Malz-Zusammensetzung. Gemessen wird sie aber in den seltensten Fällen; man verlässt sich auf die berechneten Angaben der verschiedenen Rezeptkalkulatoren oder die eigene Schätzung. Sie ist so meist eher eine Erwartung als eine Tatsache.
Ich halte es bei der Farbe ähnlich wie bei den Bierstilen: die Angabe ist sinnvoll, um anderen Brauern eine Idee davon zu vermitteln, was sie bei einem Bier erwarten können. Auf die exakte Einhaltung der Angaben würde ich aber nicht wetten.
Quellen:
- Brautechnische Analysenmethoden
Methodensammlung der Mitteleuropäischen Brautechnischen Analysenkommission (MEBAK) – Band I
Selbstverlag der MEBAK, Freising-Weihenstephan, 1984 - Standard Reference Method
Artikel in Wikipedia.com - Photometer-Selbstbau zur Bestimmung von Bier- und Würzefarben
Thread im (alten) Hobbybrauerforum hobbybrauer.de - Bries Co: Malt Options for Coloring Beer
Präsentation unter www.mbaa.com - Ludwig Narziß und Werner Back:
Die Bierbrauerei, Band 2, Die Technologie der Würzebereitung
8. Auflage, 2009, WILEY-VCH
Abbildungen:
- Komplementärfarben: Wikimedia, Benutzer:Golden arms, Komplementär, CC BY-SA 3.0
- Alle anderen Abbildungen: Autor
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